7 Wochen Lappland mit Rucksack und Zelt
Fliegenfischen auf Saibling, Forelle und Äsche in Nordschweden
- Saiblinge auf Sicht im Paradies
Eine besondere Reise nach Schwedisch Lappland
In den letzten Tagen habe ich noch häufiger als sonst an die Berge gedacht. An helle Nächte in meinem Zelt, ohne Handynetz, ohne Nachrichten, ohne Menschenmengen, ohne Probleme. In der aktuellen Krisenlage, die sich für viele völlig unwirklich anfühlt, sehne auch ich mich nach Ruhe, Abstand und Natur. Ich hoffe wirklich, dass sich die Lage bis zum Sommer entspannt und wir alle mit möglichst geringen Schäden davon kommen.
Letztes Jahr bin ich nach Schweden ausgewandert. Nachdem ich meinen letzten Job in Deutschland beendet hatte und bevor ich meinen neuen Job in Schweden angetreten habe, hatte ich die Zeit für sieben Wochen in den Bergen von Nordschweden. Irgendwo zwischen der Grenze zwischen Norwegen, Finnland und Schweden und dem höchsten Berg von Schweden, dem Kebnekaise, war ich mit dem Rucksack und Fliegenrute unterwegs, teils alleine, teils mit meiner Freundin und teils mit guten Freunden – im folgenden Artikel will ich Euch auf diese ganz besondere Reise mitnehmen.
Fliegenfischen in Lappland
Es ist Anfang Juni und meine Freundin und ich sitzen in einem Zug Richtung Norden. Zuvor haben wir ihre Eltern besucht, 1000 km nördlich von Stockholm. Der Zug bringt uns nochmal 300 Kilometer weiter in den Norden; Schweden ist ein langes Land. Als wir aus dem Zug steigen, empfängt uns strahlende Sonne und blauer Himmel. Unsere Sonnenbrille und dünnen Pullis tauschen wir 20 Kilometer später wieder gegen dicke Wollmützen und winddichte Jacken. Was sich im Tal noch wie Sommer angefühlt hat, ist ein Stück weiter den Hang hinauf maximal später Frühling. Wir haben eine Wanderroute geplant, die auch an ein paar Gewässern vorbei führt, mein Angelzeug habe ich natürlich dabei. Schon am ersten Gewässer wird einmal mehr klar, wie es in den Bergen läuft. Der normalerweise kleine Bach ist durch die Schneeschmelze zu einem unüberwindbaren Hindernis geworden. Wir bauen das Zelt auf, essen und genießen die Mitternachtssonne, morgen sehen wir weiter. Die nächsten Tage sind aus anglerischer Sicht schnell zusammengefasst. Viele Gewässer führen noch starkes Hochwasser, die Seen haben gerade erst ihr Eis verloren und sind dementsprechend kalt. Ich mache natürlich ein paar Würfe hier und dort, fange aber nichts – muss ich hier aber auch nicht. Im schwedischen Fjäll mag man fast Pantheist werden, es ist einfach unendlich schön hier. Ich freue mich auf die nächsten Wochen, ahne aber bereits, dass der bevorstehende Trip mit Jonas schwierig wird. Die Mission heisst: Arctic Char am nördlichen Ende von Schweden, also nochmal 150 km nördlich von dem Gebiet in dem ich mit meiner Freundin wandern war. Ich befürchte Schnee und zugefrorene Seen…
Ein bisschen zu früh, ein bisschen zu hoch
Es ist mittlerweile Mitte Juni und ich stehe wieder in Kiruna. Diesmal warte ich am Flughafen auf Jonas. Wir haben eine zweiwöchige Expedition geplant, wir wollen ein dutzend verschiedene Gewässer erwandern und befischen – von Anfang an ist klar, dass das hart wird. Wie hart es wirklich werden würde, zeigen vielleicht die fünf Kilo Körpergewicht, die wir jeweils (!) in der Zeit abnehmen werden.
Unsere Tour starten an der Grenze zwischen Finnland und Schweden. Nach dem Bus, geht es mit dem Taxi weiter, bis es nicht mehr weiter geht. Dann werden die fetten Rucksäcke geschultert und 20 Kilometer später, mitten in der Nacht, stehen wir am ersten Gewässer, einem kleinen Fluss, der in einen See mündet. Wir sind völlig erschöpft und wollen nur noch schlafen.
Am nächsten Morgen sehen wir überall steigende Fische. Mit zitternden Händen knoten wir die Trockenfliegen unserer Wahl an die Vorfächer und schleichen in Wurfposition. Jonas ist zuerst erfolgreich und hebt nach einem vorsichtigen Biss zackig die Rute. Der Fisch hängt und nimmt sofort Schnur. Wir rechnen mit einer Forelle und nach spannendem Drill kommt tatsächlich eine wunderschöne Forelle zum Vorschein – was für ein Auftakt! Wir fangen noch einige weitere Forellen und im angrenzenden See einige Äschen. Die erste Fischmahlzeit ist gesichert, von den ersehnten Saiblingen fehlt aber noch jede Spur. Morgen wollen wir weiter und höher in die Berge wandern, dort sollten wir die roten Lachsverwandten finden.
Der nächste Tag beginnt klassisch: leichter Nebel und Nieselregen, die Berge in der Ferne, die man am Abend zuvor noch deutlich sehen konnte, sind nur noch zu erahnen. Wir starten dennoch hochmotiviert in Richtung der Gewässer, die wir in den nächsten Tagen befischen wollen. Zunächst folgen wir noch einer Wanderroute, die einigermaßen regelmäßig mit aufgestellten Steinhaufen markiert ist. Nach einigen Kilometern müssen wir jedoch von dieser abweichen, um unser Ziel zu erreichen. Der Regen wird stärker, der Boden feuchter, die Rucksäcke schwerer und ein paar tausend Schritte später sitzen wir beide relativ erschöpft unter unserer provisorisch aufgespannten Plane, um ein hart verdientes Mittagessen zuzubereiten. Erst am späten Abend erreichen wir unseren neuen Zeltplatz, der auf einer kleinen Anhöhe liegt mit Aussicht über einen relativ großen See, der mir bei meinen Recherchen im Vorfeld aufgefallen ist. Der See wird von vier verschiedenen Zuläufen gespeist, ist sehr verwinkelt, hat einige flache Buchten und viel Bewuchs am Ufer – alles wirkt perfekt, dieses Gewässer muss unheimlich produktiv sein.
Jonas ist nach dieser Etappe so erschöpft, dass er sich erstmal ein paar Stunden in den Schlafsack verkriecht, ich halte es aber nicht aus und muss ans Wasser. Schon mein erster Wurf bringt den ersten Biss. Diesmal sind es Äschen, die das Gewässer prägen. Nachdem ich einige Exemplare gefangen habe, wecke ich Jonas und wir fischen gemeinsam bis in die frühen Morgenstunden. Unser Zeitempfinden ist völlig neutralisiert. Es wird nicht dunkler, nicht heller, alles versinkt in einem Licht- und Grauton. Wir fangen unglaublich viele und große Äschen. Je später die Nacht, je früher der Morgen, desto mehr Fische beginnen zu steigen. Jonas fängt auch zwei wunderschöne Forellen auf Nymphe. Gegen sechs Uhr morgens schlägt uns die Erschöpfung mitten ins Gesicht. Plötzlich wollen wir nur noch ins Zelt, schlafen, uns erholen.
Am nächsten Morgen beginnen wir, das Gewässer weiter zu erkunden. Auch einen weiteren See, der in der Nähe liegt und mit unserem Hauptsee verbunden ist, befischen wir. Wieder attackieren Äschen alle Trockenfliegen, die wir ihnen präsentieren. Auch ein paar Forellen lassen sich überreden, von den arktischen Saiblingen fehlt weiterhin jede Spur. Unsere Taktik ist klar und wir halten uns strikt daran: morgen wandern wir weiter, wir vermuten, dass in diesem Gewässer keine Saiblinge vorkommen, und wenn, sind die Äschen einfach zu schnell: man kann keine Fliege länger als ein paar Sekunden im Wasser halten, ohne eine Äsche zu fangen.
Am nächsten Morgen geht es weiter in die Berge Lapplands. Wir machen Höhenmeter um Höhenmeter und nach zwölf Stunden Wanderung, nur unterbrochen von einem schnellen Mittagessen, stehen wir am nächsten See. Deutlich karger sind die Ufer, ein Teil des Sees liegt noch unter Eis, aber wir sind zuversichtlich. Etliche Würfe später und einige Kilometer später haben wir den ganzen See abgefischt – ohne Kontakt, ohne auch nur ein kleinstes Zeichen eines Fisches gesehen zu haben. Wir sind jetzt ungefähr eine Woche unterwegs und Zweifel machen sich breit. Wo verstecken sich die Arktischen Saiblinge? Sind wir zu früh hier, sind wir zu weit oben in den Bergen? Wir vertrauen dem System in dem wir aktuell fischen und so machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg ins nächste Tal, wandern entlang eines Baches, der aus dem See entspringt, den wir erfolglos befischt haben. Zweihundert Höhenmeter später stehen wir am nächsten erfolgsversprechenden Ufer. Hier speist ein kleiner See einen noch kleineren Fluss, der über einen Wasserfall in ein kleines Delta mündet, das wiederum einen See speist. Es sieht aus, wie ich mir das Paradies vorstellen würde. Unsere Schnüre fliegen gegen den Wind und plötzlich passiert es. Biss, Anhieb, Drill, Landung, alles geht schneller als gedacht und der erste Saibling liegt im gummierten Kescher. Ein winziger Fisch, aber unser Zielfisch. Die Highfive fliegt durch die Luft, alles ist gut. Kurze Zeit später folgt der nächste Röding, wie die Schweden ihn nennen und später fangen wir auch noch zwei Exemplare in Pfannengröße. Wir haben sie gefunden! Morgen werden wir die umliegenden Gewässer erkunden, an diesem Abend ist die Euphorie auf dem Rückweg zum Zelt auf dem höchsten Level seit Beginn der Tour: unglaublich was ein paar Fische mit einem Menschen machen können.
In den nächsten Tagen befischen wir verschiedene Gewässer in der Umgebung unseres Camps und finden eine Kante in einem See, die man vom Ufer deutlich sieht. Eine flache Bucht, in der man den Boden sehen kann, bricht auf voller Wurfdistanz in ein dunkles Loch ab, sicher 5–6 Meter tief. Wir kämpfen mit dem Wind und fangen plötzlich fast auf Ansage die Fische, die wir so lange gesucht haben! Sowohl Jonas, als auch ich halten wahre Traumfische in den Händen, die unglaubliche Kämpfe abliefern und unvergleichlich schön sind. Dass wir zwischen den Angelsessions in einem Zelt schlafen, gegen das der Wind den Schnee peitscht, ist uns egal. Die wunderschönen Fische und die unfassbare Fischerei machen das harte Wetter Lapplands vergessen. Nach einigen erfolgreichen Tagen machen wir uns auf den langen Rückweg. Es ist kalt, es regnet, der ganze Körper schmerzt, aber es ist uns egal. Unsere Mission war erfolgreich und wir kehren als Sieger in die Zivilisation zurück; reicher um so viele Erfahrungen! Die erste Mahlzeit zurück in Kiruna schmeckt wahnsinnig gut und strapaziert die geschundenen Mägen. Jonas fliegt glücklich zurück nach Hause und ich mache mich wieder auf den Weg Richtung Berge. Meine Solotour steht an und ich habe einen ganz bestimmten See im Blick.
Kampfstarke Saiblinge auf Sicht
Wenn man eine Tour in den Bergen plant, sollte man immer Alternativen parat haben. Das gilt nicht nur für die Ausrüstung und die Route, sondern als Angler natürlich auch für die Gewässer. Zu Beginn meiner Solotour hatte ich ein Gewässer erwandert und befischt, das mich leider enttäuschte. Im ersten See wimmelte es von Saiblinge, allerdings waren die Fische alle unter 25 cm. Solche kleinwüchsigen Bestände sind typisch für einige der sehr nährstoffarme Seen in Lappland. Oft liegen diese Seen relativ weit oben in den Bergen und sind sehr steinig, dementsprechend wenig Nahrung produziert das System. Für die letzten Tage meiner Tour hatte ich mir im Vorfeld ein System ausgesucht, das auf meinem Kartenmaterial sehr interessant aussah. Vier kleine Seen, die alle miteinander verbunden sind und deren Ufer stark bewachsen sind. Hier sollte ordentlich Nahrung vorkommen und hoffentlich auch dicke Arktische Saiblinge zu finden sein. Um den See zu erreichen muss ich den kleinen, schlecht markierten Trampelpfad, dem ich bisher gefolgt bin, verlassen und querfeldein wandern; durch zwei Täler, drei Bäche und eine sumpfige Ebene. Ich brauche für die anstrengende Strecke fast zwölf Stunden und errichte dann fast in Wurfweite zum Wasser mein Zelt. Als ich am See Wasser für das Abendessen hole, sehe ich Fische steigen. In Rekordzeit bereite ich meine mehr als notwendige Mahlzeit zu und schlinge sie in mich hinein – ich bin heute ungefähr zwanzig Kilometer gewandert, bin seit ungefähr fünfzehn Stunden wach und eigentlich reif für den Schlafsack, aber die Müdigkeit und Erschöpfung verfliegt in diesem Moment völlig von selbst. Im Sommer ist es hier in den Bergen fast 24 Stunden lang hell, man wird tatsächlich nicht, beziehungsweise anders müde, wenn man eine Beschäftigung hat. Die Fische, die ich am Zeltplatz habe steigen sehen, sind weitergezogen. Ich folge der Uferlinie des Sees für etwa 800 Meter und mache einige Würfe, bekomme einen Biss, den ich nicht verwerten kann und komme schließlich am Einlauf des Sees an. Hier sieht es einfach traumhaft aus und ich muss nur wenige Sekunden das Wasser beobachten, um den ersten steigenden Fisch zu entdecken. Der erste Wurf sitzt und nach kurzem Drill liegt ein schöner Saibling im Kescher. Da ich die Müdigkeit nun wirklich spüre, will ich jetzt eigentlich zum Zelt zurück gehen, aber dann sehe ich es.
Vor dem gegenüberliegenden Ufer, auf der anderen Seite des Einlaufs taucht für einen kurzen Augenblick der Kopf eines riesigen Fisches auf, sammelt vorsichtig eine kleine Mücke von der Oberfläche und verschwindet wieder mit einem kaum hörbaren Geräusch. Meine Hände beginnen zu zittern – das ist ein richtig großer Fisch! Meine ersten Präsentationen werden ignoriert. Ich schleiche am Ufer weiter, um meine Wurfposition zu verbessern und diesmal klappt es, der Biss kommt, der Anhieb sitzt und ab geht die wilde Fahrt, 10, 20, 30 Meter Schnur fliegen von der Rolle. Innerhalb von wenigen Sekunden ist der Fisch weit im Backing und dreht seine Runden mitten im See. Die nächsten Augenblicke fühlen sich an wie eine Ewigkeit, aber ich kann immer mehr Schnur zurück gewinnen, sodass der große Saibling nun ungefähr 20 Meter vor mir seine Bahnen zieht. Und dann, völlig unerwartet, in einem Moment ohne besonders viel oder besonders wenig Druck, schlitzt der Fisch aus und die Fliege kommt mir entgegen geflogen. Ich kann es nicht fassen, es fühlt sich an wie wenn man aus einem Traum erwacht und nicht richtig weiß, wo man ist. Ich stehe einige Minuten regungslos im Wasser an der Stelle, an der ich mich schon zur Landung meines Traumfisches bereit gemacht hatte. Plötzlich platscht es neben mir, keine zehn Meter von mir entfernt steigt ein Fisch! Der erste Wurf sitzt, der Fisch nimmt Schnur, wenn auch deutlich weniger als das Exemplar, dass ich zuvor verloren habe. Nach kurzem Drill liegt ein schöner Saibling im Kescher. Ein wunderschöner Fisch, aber nur ein Trostpflaster nach dem verlorenen Monster. Mittlerweile ist es vier Uhr morgens, ich laufe zurück zum Zelt und schlafe bis zum nächsten Nachmittag.
Lust auf eine begleitete Reise nach Lappland?
Ich muss zurück an den Spot. Nach dem Frühstück mache ich das Gerät klar und stehe kurze Zeit später wieder an dem kleinen Einlauf, an dem ich am Abend vorher den riesigen Char verloren habe. Ich schleiche mich vorsichtig an, beobachte die Oberfläche, scanne das glasklare Wasser auf eine Bewegung. Plötzlich sehe ich sie: zwei fette Chars stehen mitten der Strömung im knietiefen Wasser, direkt nebeneinander. Ich bin keine fünf Meter von ihnen entfernt. Der kleiner der beiden wird um die 50cm groß sein, der größere Fisch geht eher in Richtung Mitte/Ende 50. Die Strömung an dieser Stelle macht die Präsentationen einer Trockenfliege schwierig, daher entscheide ich mich für eine leicht beschwerte Nymphe. Die erste Drift geht an den Fischen vorbei. Die zweite Drift lässt den größeren Fisch kurz aus seiner Spur ausbrechen, er zieht eine Handlänge nach links, öffnet das Maul, die Schnur stoppt, ich setzte den Anhieb und ab geht die wilde Fahrt. Der Fisch zieht sofort mitten in den See, wieder Fliegen dutzende Meter Schnur von der Rolle, nach 30 Sekunden ist der Fisch 70/80 Meter im Backing und dreht seine Runden mitten im See. Vorsichtig erhöhe ich den Druck und positioniere mich auf einer kleinen Erhöhung am Ufer, um eine bessere Position für den Drill zu haben. Nach einiger Zeit habe ich dem Saibling wieder einiges an Schnur abgewonnen, er steht jetzt vor mir im klaren Wasser und zeigt mir seine Breitseite: was für ein Fisch! Vorsichtig wate ich ins Wasser und mache den Kescher bereit – das gefällt meinem Gegenüber gar nicht und er zieht wieder davon, es ist wirklich unglaublich wie kampfstark diese Fische sind! Ich stehe nun bis zur Hüfte im Wasser, der Kescher ist bereit, die fünfer Rute krumm ohne Ende. Nach einigen mir endlos scheinenden Minuten ist der Fisch in Kescherreichweite und nun ist klar, dass dieser Fisch über zwei Kilo schwer ist – die magische Marke bei Saiblingen. Jetzt nur nichts falsch machen, die Nymphe hängt relativ knapp in der Oberlippe. Ich gehe dem Fisch einen letzten Meter entgegen, hebe die Rute und schiebe den Kescher unter den massiven Körper. Ein Schrei hallt über den See, keiner kann ihn hören, außer vielleicht die Vögel, Rentiere und Elche, die hier überall herumstrolchen. „Was macht der komische Deutsche da?“ Der Wiegekescher zeigt 2,1 Kilo, das Messen ergibt 56 Zentimeter – WAS EIN FISCH! Ich mache ein flottes Selbstauslöserbild, dann darf der Char zurück in sein Element. In den nächsten Tage fange ich noch ein paar weitere tolle Fische, genieße die wunderschönen, hellen Nächte und wandere nach einer knappen Woche an diesem Traumsee zurück Richtung Zivilisation. Nun steht eine Tour mit Nico bevor. Diesem schicke ich, direkt als ich wieder Handynetz habe, ein Foto des großen Saiblings – als hätte er nicht schon genug Vorfreude.
Rot, rot, rot, sind alle meine Farben
Es ist mittlerweile wie ein kleines Ritual: Duschen im airbnb, ab ins Thairestaurant, 12 Stunden schlafen. So verliefen die Tage in Kiruna nach den einzelnen Wanderungen. Jetzt steht der letzte Trip an. Nico ist dabei und wir wollen nicht nur zurück an den See, an dem ich die Tage zuvor so erfolgreich war, sondern auch einige neue Gewässer ausprobieren.
Gegen Nachmittag sitzen wir noch in Kiruna und genießen ein letztes ausgiebiges Essen. Dann starten wir, zuerst mit dem Bus, dann weiter mit dem Taxi – gegen 20 Uhr erreichen wir den Punkt an dem unsere Wanderung beginnt. Die schweren Rucksäcke werden geschultert und zunächst gilt es einen starken Anstieg hinter sich zu bringen, danach für einige Kilometer über eine Hochebene, durch ein Tal, durch einen kleinen Fluss, danach ein weiterer Anstieg, eine weitere Hochebene, ein weiterer Fluss – es ist harte Arbeit, in Lappland zum Fisch zu kommen. Gegen 4 Uhr haben wir es geschafft. Nico ist völlig am Ende, ich habe von den Wochen des Trainings, die bereits hinter mir liegen profitiert und bin noch fit genug, das Zelt aufzubauen, ein flottes Essen zuzubereiten und Nico dazu zu überreden, noch ein paar Würfe zu machen. Wenige Minuten später stehen wir mit aufgebauten Ruten am Wasser, die Saiblinge steigen und der erste Biss lässt nicht lange auf sich warten. In der schon relativ intensiven Morgensonne landet Nico den ersten Fisch des Urlaubs und auch ich kann wenig später ein wunderschön gefärbtes Exemplar überlisten. Wir fischen noch eine Weile, schlafen nur wenige Stunden und stehen schon gegen Vormittag nach einem ausgiebigen Frühstück wieder am Wasser.
Schon der erste Wurf mit der Nymphe bringt Nico einen Fisch ans Band, der eindeutig sein PB ist – Schnur fliegt von der Rolle, die 6er ist krumm und wir werden ein wenig nervös. Der Fisch startet keine ganz lange Flucht, lässt sich aber auch nicht wirklich näher zum Kescher bringen und bockt ordentlich. Ich wate vorsichtig in Richtung des Fisches und wenig später können wir einen absoluten Traumfisch landen. Nach einigen schnellen Fotos darf der Fisch zurück und wir schleichen weiter am Ufer entlang, auf der Suche nach dem nächsten Saibling. Fündig werden wir am Auslauf des Sees. Nico präsentiert seine Nymphe und hat später ein wahres Monster am Haken. Die Farbe des Fisches im glasklaren Wasser ist einfach unbeschreiblich. Einige Male ist es relativ knapp, da der Auslauf einem kleinen Delta ähnelt und viele Hindernisse aufweist, aber wir können den Fisch nach kurzem und spannenden Drill landen. Was jetzt im Kescher liegt ist der blanke Wahnsinn. Deutlich über 2 Kilo schwer und rot wie die Feuerwehr. Auch dieser Fisch darf natürlich zurück, für das Abendessen fangen wir uns ein paar kleine Chars im Fluss, der aus dem See fließt. Am Abend gibt es einen kleinen PB Whiskey und einige Runden des schwedischen Kartenspiels „Plumms“, bevor wir zufrieden einschlafen.
Der nächste Tag soll der letzte an diesem Gewässer sein, bevor wir einige weitere Gewässer in der Umgebung testen wollen. Bisher haben wir zwar fast alle Teile des Sees befischt, aber noch nicht das verwinkelte Delta, das den Einlauf des Sees speist. Es ist ein ziemlich Kampf, dorthin zu gelangen: Sumpf, dichte Vegetation, Schilf und eine Horde an Stechmücken erschweren uns den Zugang. Wenig später stehen wir im Paradies – das Wasser ist glasklar, es schlängeln sich etliche kleine Bachläufe durch das Dickicht, vereinen sich zu einem größeren Bach, spalten sich wieder auf, laufen durch tiefe Gumpen, über flache Rieselstrecken – es ist der blanke Wahninn!
Wir schleichen vorsichtig am Bach entlang, machen ein paar Würfe, sehen aber keine Fische. Plötzlich entdecke ich einen großen Schatten in einer etwas tieferen Außenkurve. Ist das eine Wurzel, oder doch ein Fisch? Vorsichtig schleiche ich näher und die rot schimmernde Flanke bringt Gewissheit – im 25cm tiefen Wasser steht ein riesiger Char, regungslos schwebt er in der leichten Strömung. Ich gehe sofort langsam ans Ufer, rufe Nico zu mir und krieche auf Knien in Wurfposition. Meine Trockenfliege schaut sich der Saibling zwar an, nimmt sie aber bei drei Driften nicht. Ich warte einige Minuten, wechsele auf eine unbeschwerte Nymphe und werfe den Fisch erneut an. Die Nymphe driftet langsam auf den Saibling zu, knapp unter der Oberfläche. Ich stehe vielleicht 3–4 Meter schräg hinter dem Fisch, sehe jede Bewegung. Als meine Nymphe nur noch einen halben Meter vor dem Fisch ist, geht ein leichtes Zucken durch seine Schwanzflosse, er stellt die Brustflossen auf, steigt sachte einige Zentimeter nach oben, öffnet das Maul und sammelt völlig ruhig meine Nymphe ein. Ich warte eine halbe Sekunde, hebe die Rute, der Fisch schlägt zwei mal mit dem Kopf und schießt dann den Bach hinauf. Ich springe aus dem Busch, renne im Bach dem Fisch hinterher. Für Nico, der mit dem Kescher bereit steht, muss es ein witziger Anblick gewesen sein. Der kurvige Bach ist für den Char bekanntes Gebiet, für mich in dieser Situation der Horror. Fünf Kurven weiter oben und sicher 80 Meter entfernt von der Stelle, wo ich den Fisch haken konnte, entscheidet er sich, zu wenden und den Bach wieder hinunter zu schießen. Wieder renne ich nervös hinterher, rufe Nico zu, er solle sich in Position bringen. Souverän steht er einige Sekunden später mitten im Bach, der Saibling kommt ihm entgegen, der Kescher ist im Wasser, der Fisch ausmanövriert und wenig später sicher gekeschert. Wir liegen uns in den Armen und können es kaum glauben. Ein weiterer Traumfisch, jenseits der 50cm Marke. Auch dieser Fisch ist farblich eine wahre Pracht und auch dieser Fisch wird nach einem kurzen Foto unbeschadet zurückgesetzt. Dass gutes Fischhandling funktioniert, sehen wir noch am gleichen Abend. Wir sind zurück im Delta und sehen den gleichen Fisch, an der gleichen Stelle, ruhig im Gumpen stehend, diesmal zusammen mit zwei weiteren Chars. Ein großes Weibchen, von knapp 50cm kann ich anhand einer kleinen Narbe im glasklaren Wasser als den Fisch identifizieren, den ich zwei Wochen vorher alleine gefangen hatte. Ein tolles Gefühl, zu sehen, das Catch&Release funktioniert, wenn man es gut macht.
Was nimmt man mit?
Am nächsten Tag wandern wir weiter, fischen einige weitere Gewässer, fangen ein paar kleine Forellen, allerdings keine weiteren Saiblinge. Warum, verstehen wir nicht wirklich, da auch die anderen Gewässer eine sehr ähnliche Struktur und ein vergleichbares Nahrungsangebot aufweisen. Wir vermuten, dass die anderen Gewässer vom Menschen plattgemacht wurden, da sie deutlich näher an einem Wanderweg und auch an einer kleinen Berghütte liegen. Gerade in solchen Regionen, in denen die Fische mit kalten Temperaturen, wenig Nahrung und einer kurzen Saison zu kämpfen haben, merkt man unvernünftige Entnahme schnell und lange. Bis sich hier ein Bestand erholt hat, dauert es viele Jahre, wenn es überhaupt passiert.
Was nehme ich aus den vielen Wochen in den Bergen mit? Man kann deutlich weniger duschen, als man denkt. Wasser kann auch im Sommer, bei 25 Grad Lufttemperatur, sehr, sehr sehr kalt sein. Das Schlafen auf einer harten, dünnen Luftmatratze ist gut für den Rücken! Wir Menschen sind winzig und leider oft schrecklich unvorsichtig in unserem Umgang mit der Natur und nicht zuletzt: ein wenig Abstand von Allem – egal ob beim Angeln in den Bergen, oder am nächstgelegenen Gewässer – tut unheimlich gut.
Danke fürs Lesen und wenn ihr Fragen habt, rein in die Kommentare! Wenn Ihr Interesse an einer begleiteten Lapplandreise habt, dann meldet Euch gerne bei mir bzw. DaF.
SO kenn ich dicht am Fisch! Ihr macht immer schöne Rportagen zu euren Angeltrips. Da bekommt man auch direkt Lust mal wieder an das Gewässer zu ziehen. Freue mich schon auf eure neuen Beiträge! LG Julius