Zu wenig Sicherheit auf dem Angelboot — Immer wieder verunglücken Anglerinnen und Angler mit ihren Booten auf den großen Gewässern in Holland, auf heimischen Flüssen oder auf dem Meer. Egal ob im Angelurlaub in Norwegen, auf dem Rheindelta in Holland oder auf der Elbe – die Risiken und Konsequenzen sind, sobald das Wetter kälter wird, fast die gleichen.
Da vielen Bootsbesitzern gar nicht klar ist, in welche Gefahr sie sich und ihre Angelfreunde bringen, wenn sie ohne Sicherheitsmaßnahmen aufs Wasser fahren, habe ich mit einem Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger eine Podcast-Episode aufgenommen. In dieser Episode werden wir euch die Gefahren erläutern, die Konsequenzen schonungslos und ausführlich beschreiben und einige Tipps mit an die Hand geben, damit ihr unbeschadet zurück nach Hause kommt.
Christian Koprek-Bremer, Vormann der DGzRS Station List auf Sylt, hat sich an einem verregneten Sonntag im November die Zeit für mich genommen, ausführlich über Sicherheit auf dem Angelboot zu sprechen. Welche Risiken beim Angeln (besonders vom Boot) entstehen können, welche Fehler oft gemacht werden und wie ihr sie vermeiden könnt. Wir unterhalten uns über seine Arbeit als Seenotretter und beleuchten ausführlich, was passiert, wenn ihr ins Wasser fallt.
Im Normalfall würde hier jetzt ein Cliffhanger kommen, indem wir euch auf den Podcast verweisen und euch zwingen wollen ihn zu hören. Den Link findet ihr ganz unten hier im Beitrag. Das Thema liegt uns jedoch so am Herzen, dass ich euch die Basics hier auch schriftlich festhalten möchte.
Richtige Vorbereitungen für einen Angeltrip
- Schaut euch vor einem Angeltrip genau die Wetterprognosen an.
Wie windig wird es? Gibt es Nebel? Wie hoch werden wahrscheinlich die Wellen? Aus welcher Richtung kommt der Wind? - Kennt ihr euer Revier?
Gibt es Strömungen? Wie siehts aus mit der Tide? Hindernisse wie Steine und Sandbänke? Habt ihr genügend Sprit für die Strecke? - Läuft eure Technik?
Habt ihr ein GPS? Kartenmaterial? Navionics? Echolot? Ist euer Motor zuverlässig? Sind die Akkus voll? Habt ihr eure Smartphones? Habt ihr dort überhaupt Mobilfunk-Empfang? Braucht ihr Funkgeräte? - Weiss jeder an Bord was zu tun ist?
Wissen alle wie man im Notfall das Boot fährt und eine verunglückte Person wieder an Bord holt? Wisst ihr wo ihr anrufen müsst, wenn etwas passiert? Weiss jeder was zu tun ist, wenn ihr in Not geratet? - Rettungsmittel
Habt ihr alles? Rettungswesten, Trockenanzug, Floater? Fackeln, Raketen, Erste Hilfe, Badeleiter, Feuerlöscher, Rettungsdecken?
Gründe für Unfälle auf Angelbooten
Die Klassiker, warum Angelboote in Seenot geraten oder es ernsthafte Unfälle auf dem Wasser gibt, sind vielfältig aber oftmals zu vermeiden. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Fähigkeiten oder Boot falsch eingeschätzt
- Wetter unterschätzt
- Wind und Welle unterschätzt
- Alkohol
- Gleichgewicht verloren
- beim Pinkeln über Bord gefallen
- beim Keschern reingefallen
- Falsche Gewichtsverteilung auf dem Boot
- Schiffsverkehr nicht beachtet
- Tonnen, Bojen, Netze etc. übersehen
- Treibgut übersehen (gerade im Winter und im dunkeln)
- Hindernisse wie Steine, Sandbänke etc. nicht gesehen
- Keine Ortskenntnis
- Fischgeilheit
Notfall auf dem Angelboot — und nun?
Sollte während eurer Angeltour jemand ins Wasser fallen, ist besonders bei kalten Wassertemperaturen ein schnelles und überlegtes Handeln gefragt.
Fällt eine Person im Herbst, Winter oder zeitigen Frühjahr ins kalte Wasser, wird als erstes der sogenannte Kälteschock einsetzen. Dabei kommt es zur Hyperventilation, der Blutdruck steigt und die Gefäße verengen sich. In dieser Zeit kann es passieren, dass schon eine Ohnmacht eintritt, der Kreislauf zusammenbricht oder man anfängt Wasser zu schlucken und zu atmen. Trotz aller Panik ist es wichtig jetzt ruhig zu bleiben.
Nach ca. 1–3 Minuten gewöhnt sich der Körper an das kalte Wasser. Nun fängt man langsam an auszukühlen. Sobald die Körpertemperatur in Richtung 35°C fällt, fängt der Körper an zu zentralisieren. Hierbei wird vereinfacht gesagt das Blut aus den Gliedmaßen in Richtung der Körpermitte gezogen um die Organe zu schützen. Das bedeutet auch, dass man nach kurzer Zeit nicht mehr viel Kraft haben wird um sich selbst aus dem Wasser zu ziehen oder ins Boot zu klettern. Die nassen, schweren Winterklamotten sind dabei zusätzliches Gewicht. Ohne Rettungsweste wird es jetzt auch mehr als schwer, sich über Wasser zu halten.
Jetzt sollte alles ganz schnell gehen und die Person muss innerhalb der nächsten Minuten ins Boot geholt werden bevor sie weiter auskühlt. Wenn das Rettungsmanöver gelingt, muss die Person schnell waagerecht liegend aufgewärmt werden. Hierzu am besten in eine warme, trockene Decke einwickeln und zusätzlich als äußere Lage eine Rettungsdecke nutzen, um die Person vor kaltem Wind zu schützen.
Achtung Bergungstod: Je länger die Person im Wasser war, desto weiter ist sie ausgekühlt. Jetzt ist es wirklich wichtig, die Person waagerecht und nur durch die eigene Körperwärme langsam zu erwärmen. Gut gemeinte Wärme von Außen, Rubbeln o.Ä. sind jetzt gefährlich. Wenn das Blut zu schnell zurück in die Gliedmaßen fließt, kann es zum sogenannten Bergungstod kommen. Hierbei kann es z.B. zu Kammerflimmern kommen, wenn das kalte Blut aus den Gliedmaßen in den zentralen Kreislauf zurück fließt. Außerdem kann durch die Wiedererwärmung ein Blutdruckabfall entstehen, wenn die Gefäße sich wieder erweitern.
Hilfe holen bei Unfall mit Angelboot
Sind alle Personen in Sicherheit oder könnt ihr die verunglückte Person nicht mehr selbstständig bergen? Jetzt ist es Zeit für den Notruf! Auch wenn ihr eine verunglückte Person wieder im Boot habt, ist es ratsam sich medizinische Hilfe zu holen, um mögliche Folgeschäden abzuklären (Unterkühlung, Wasser in der Lunge usw.)
In deutschen Binnengewässern: 112
Auf allen deutschen Seen und Flüssen ist die Telefonnummer 112 für die Koordination der Rettungsmaßnahmen zuständig. Die jeweilige Rettungsleitstelle ist besetzt mit medizinisch geschultem Personal, dass euch ggf. auch bei der Erstversorgung unterstützen kann.
Auf der Nord- und Ostsee: 124 124 (Funk UWK Kanal 16)
Solltet ihr auf dem Meer in Not geraten, kontaktiert die DGzRS Rettungsleitstelle See | MRCC Bremen ausschließlich in Küstennähe und lediglich aus deutschen Mobilfunknetzen! Speichert euch zusätzlich die Nummer +49 421 536870 oder ruft die 112 an und lass euch mit der Rettungsleitstelle See | MRCC Bremen verbinden. Wählt ihr die 124 124 hat die Rettungsleitstelle eine Stunde lang zugriff auf die Standortdaten eures Smartphones und kann den Einsatz so wesentlich effektiver koordinieren.
In den Niederlanden (Binnengewässer): 112
Auch in den Niederlanden ist der klassische Notruf die 112. Auch hier wird dann der Einsatz über die Leitstelle koordiniert.
In den Niederlanden See & Rheindelta: 112
Auf den Großgewässern (Rheindelta, Randmeere etc.) in den Niederlanden ist die Küstenwache zuständig. Diese Koordiniert ggf. die Rettung zusammen mit Feuerwehr, KNRM und anderen Rettungsdiensten. Via Funk ist hier auch Kanal 16 der richtige Kanal.
Für Alle Notrufe ist es wichtig, den Rettungsdiensten als erstes zu erklären wo ihr seid. Vergewissert euch vor dem Anruf, dass ihr schildern könnt, wo ihr euch befindet. Region, Gewässer, Ortschaften, könnt ihr evtl. ein markantes Gebäude sehen oder eine Tonne mit einer Beschriftung in der Nähe?
Smartphone Apps:
Die SafeTRX App der DGzRS solltet ihr euch unbedingt ansehen und installieren.
Auch im Urlaub kann das eine gute Absicherung sein.
Die KNRM Helpt App, ist eine ähnliche Lösung für die Niederlande. Sie ist auch sinnvoll für den Binnenbereich und verbindet euch direkt per Notrufbutton mit der Zuständigen Rettungsstelle.
Empfehlungen für mehr Sicherheit auf dem Angelboot
Abgesehen von einer guten Vorbereitung, kannst du mit ein paar Ausrüstungsgegenständen die Sicherheit auf dem Angelboot so erhöhen, dass du mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit heile nach Hause kommst oder zumindest am Leben bleibst.
Rettungsweste
Ohne eine Ohnmachtssichere Rettungsweste solltet ihr unter keinen Umständen aufs Wasser gehen. Gerade im Winter wird dir das Ding vermutlich das Leben retten. Ohne Weste wird es bei kalten Temperaturen sehr schwer, sich bis zur Rettung über Wasser zu halten. Achtet hier auf ein Modell mit mindestens 150N Auftrieb. Bei uns im Shop findet ihr ein Modell von SPINLOCK, dass wir getestet und für gut zum angeln befunden haben.
Floatinganzug
Die sogenannten Floater oder auch Schwimmanzüge haben eingenähte Auftriebskörper und schützen euren Körper vorm schnellen Auskühlen. Aber: Im Floater werdet ihr nass und bekommt auch kurz einen Kälteschock. Er schützt euch nur vor dem Auskühlen, wenn er richtig getragen wird, die Bündchen an den Armen, Beinen etc. geschlossen sind und das Wasser so nicht zirkulieren kann. Außerdem sollte ein Floater auch IMMER mit einer Ohnmachtssicheren Rettungsweste getragen werden. Erkundigt euch beim Hersteller oder Verkäufer, welcher Floater sich für euch eignet, wie er funktioniert und welche Weste ihr dazu tragen solltet. Manche Floater blockieren durch den Auftrieb die ohnmachtssichere Lage einer Weste und verhindern das Drehen auf den Rücken.
Trockenanzug
Ein Trockenanzug ist beste Lebensversicherung fürs Angeln, die ihr euch anschaffen könnt. Der Trocki schützt euch beim Sturz ins Wasser mit entsprechender Unterbekleidung vorm nass werden und vorm Unterkühlen. Der wasserdichte Anzug hat Bündchen, Füßlinge und Halsmanschetten aus Neopren oder Latex und verhindert das Eindringen von Wasser. Mit so einem Anzug seid ihr auch über einen längeren Zeitraum im kalten Wasser geschützt, bis ihr gerettet werdet. Der Trocki muss natürlich auch mit einer Rettungsweste getragen werden. Es gibt günstige Einsteigermodelle für ca. 300€ aufwärts – nach oben ist die Grenze meistens offen. Ich empfehle euch ganz ehrlich mindestens ein Modell im mittleren Preissegment. Atmungsaktiv und von einem namhaften Hersteller. Ich trage im Winter (bis ‑5°C) folgende Kombination auf dem Boot:
· Lange Unterwäsche aus Merino (400er Woolpower)
· Merino Socken (600er Woolpower)
· Faserpelz Jacke + Hose (Helly Hansen)
· Wärmejacke (Patgonia Weste oder Jacke)
· Trockenanzug (z.B. von Musto oder Zhik)
· Neopren Segelhandschuhe (Decathlon)
· Trekkingstiefel mit Thermosohlen
· Spinlock Deckvest Lite 170N Rettungsweste
Damit bin ich für den Ernstfall sicher und kann relativ entspannt versuchen, mich selbst in Sicherheit zu bringen oder auf Rettung warten. Sicher ist so eine Kombination nicht, um stundenlang Offshore auf der Nordsee auf den Helikopter zu warten. Der Rettungsweg einmal quer über die Elbe oder eine halbe Stunde auf der Ostsee sollte mit dem Outfit je nach Wetter und Welle überbrückt werden können, ohne dass ihr in ernsthafte Schwierigkeiten kommt. Je nach Temperatur könnt ihr die Unterbekleidung so kombinieren, dass ihr z.B. auch im strömenden Regen im Sommer oder im Herbst aktiv aufm Kayak damit unterwegs sein könnt.
Leute, passt auf euch auf und viel Spaß beim Hören!
DGzRS unterstützen
Die Arbeit der DGzRS ist freiwillig, unabhängig und spendenfinanziert. Wer die Seenotretter mit einer Spende unterstützen möchte, kann es unter diesem Link tun.
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