Dass die Population des Europäischen Aales (Anguilla anguilla) einen Tiefpunkt erreicht hat, ist nichts Neues. Was aber die genauen Ursachen dafür sind, darüber streiten sich die Geister. Vor der Durchsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), sprach man vor allem über den Lebensraumverlust und über verbaute Fließgewässer, welche durch wasserbauliche Anlagen wie Wehre und Wasserkraftanlagen, die Jungaale am Aufstieg hinderten. In den letzten Jahren wurden vor allem die Fischer an den Pranger gestellt. Dann kam die Diskussion über die Klimaerwärmung dazu. Und nun sollen japanische Würmer schuld sein? Der Nachfolgende Artikel bringt ein wenig Licht in´s Dunkel.
Mögliche Ursachen
Innerhalb meiner Recherchen, konnte ich eine Vielzahl von möglichen Faktoren für den starken Rückgang des Bestands unseres Europäischen Aales herausfiltern.
Zu den ozeanischen und klimatischen Faktoren, welche zum größten Teil auf den Klimawandel zurückzuführen sind, gehören die Verschiebung des Golfstromes, die nordatlantische Oszillation (regelmäßige Schwankung der Population – ein natürlicher Vorgang), die Wassertemperaturen in der Sargassosee (Laichgebiet der Aale) und die Westwindhäufigkeit in der Nordsee, welche in Folge die Wanderung der Aale erschwert.
Die hohe Mortalität (Sterberate) durch fischereiliche Entnahme betrifft fast alle Lebensstadien des Aals vom ersten Jugendstadium (Glasaal) über heranwachsende, aufsteigende Tiere (Gelbaale) und geschlechtsreife, abwandernde Individuen (Blankaale). Der Fang von Glasaalen stellt hierbei eine Besonderheit dar: Wenn die jungen, noch durchsichtigen Jungaale nach etwa einjähriger Reise an die Küsten Europas und Nordafrikas gelangen, beginnt die erste kontinentale Lebensphase und gleichzeitig die erste Phase in der die Tiere vom Menschen befischt werden. In früherer Zeit waren es noch ausschließlich europäischen Fischer die Glasaale neben der direkten Verwertung als Lebensmittel vorwiegend für die Mast in Aquakulturen sowie für den Besatz von Seen und Teichen abfischten. Nicht belegt ist es, dass chinesische und andere fernöstliche Fangflotten illegal vor der Küste Afrikas fischen, da sie ihre eigenen Bestände bereits auf das geringste minimiert haben. Die fast farblosen Jungaale gelten in vielen asiatischen Ländern als Delikatesse, aber auch in Südeuropa landet ein nicht unerheblicher Teil in Konserven. Die stark geregelte Entnahme der Glasaale durch die europäischen Fischer, bedient heute vollständig die Abhängigkeit vom Besatz vieler europäischen Gewässer. Ein bekanntes Problem hierbei ist jedoch, dass schon beim Fang der Glasaale ein nicht unerheblicher Teil durch die Fangpraktik selber zu Tode kommt. Die gläsern wirkenden Jungfische erholen sich nur schwer von kleinen Hautverletzungen und Quetschungen die beim Fang entstehen. Bis heute umstritten ist, inwiefern besetzte Aale überhaupt zum Laichgeschehen beitragen.
Die Mortalität durch Wasserkraftwerke ist durch Turbinenschäden an abwandernden Blankaalen zu erklären, was gerade an den großen Strömen im ehemaligen Westen Deutschlands ein sehr großes Problem darstellt.
Aale waren schon immer anfällig für Krankheiten und Parasiten, was u.a. mit ihrem bodennahem Leben zusammenhängt. Der Japanische Schwimmblasenwurm „Anguillicola“ (Anguillacola crassus), der zum Stamm der Fadenwürmer zählt, ist neben dem Menschen aktuell ein weiterer großer Feind der Aale. Der blutsaugende Parasit, wurde Anfang der ´80er Jahre aus dem „Land der aufgehenden Sonne“, vermutlich durch japanische Aale eingeschleppt und hat mittlerweile zwischen 50 und 90% der deutschen Bestände unterlaufen. Die parasitierten Fische sind nicht so gut an den Befall der Parasiten angepasst wie ihre japanischen Verwandten (Anguilla japonica) und erleiden eine Schädigung der Schwimmblase. Umstritten ist bisher das Ausmaß der Schädigung. Es wird angenommen, dass die Schädigung zum Verlust der Funktion der Schwimmblase als für die Wanderung eventuell wichtigem hydrostatischem Organ, aber auch zu einer verringerten Fitness, in seltenen Fällen auch in der Folge zum Tod führen kann. Unklar ist, ob den geschädigten Tieren die nötige Kraft für die lange Wanderung in das mehr als 5000 km entfernte Laichgebiet fehlt. Ein zusätzlicher Verstärker für die Hohe Zahl der befallenen Aale, ist die seit einiger Zeit massenhaft auftretende Schwarzmundgrundel (Neogobius melanostomus), welche sich der Parasit neben Aland, Döbel, Kaulbarsch und Gründling als zusätzlichen Zwischenwirt auserkoren hat. Andere Krankheitserreger und Parasiten lösen den HVA (Aal-Herpes-Virus), den EVEX (Eel-Virus-European‑X) und die bakterielle Rotseuche aus, die zwar weniger häufig auftreten, aber nicht unerwähnt bleiben sollten.
Eine Kontamination mit Umweltgiften wie PCB´s (Polychlorierte Biphenyle), HCB‘s (Hexachlorbenzole), Flammschutzmittel (aus der Textilindustrie) und anderen Dioxinen, die sich zum Teil über Jahre und Jahrzehnte im Sediment festsetzen, können unter Umständen Krankheiten auslösen, welche möglicherweise die Fruchtbarkeit von Aalen verringern. Die Umweltgifte könnten ebenfalls die Leistungsfähigkeit so vermindern, dass die Fische ihre Laichgebiete nicht erreichen können oder nur wenige Jungfische mit geringen Überlebenschancen hervorbringen.
Der Habitatverlust im Binnenland steht im Zusammenhang mit Verbau durch Wanderbarrieren (z.B. Staue, Sohlgleiten) in Auen und dem Tiefland. Viele dieser Hürden, wurden in Folge der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zwar beseitigt oder zumindest durch den Bau von Fischaufstiegsanlagen (umgangssprachlich „Fischtreppen“) passierbar gemacht. Noch immer ist ein Großteil der Flüsse weit entfernt vom Ziel der WRRL, die einen „guten ökologischen Zustand“ vorgibt. Die natürlichen oder zumindest naturnahen Flussabschnitte, die den Aalen als Rückzugsgebiete dienen, sind zudem von der zunehmenden Eutrophierung (das Sichanreichern von Nährstoffen in einem Ökosystem) betroffen. Laut der Einschätzung des International Council for the Exploration of the Sea (ICES), sind aktuell bis zu 50 % der Gewässer betroffen.
Eine erhöhte Prädation durch den Kormoran (Phalacrocorax carbo) und anderen Fressfeinden, welche gerne auch von uns Anglern und Fischern als Aal-Killer beschriehen werden, sind keine flächendeckende Erscheinungen, vor allem das invasive Auftreten der schwarzen Ruderfüßers, ist nur Punktuell für die Population relevant.
Abschließend kann man sagen, dass die Gesamtheit der Faktoren im Zusammenspiel zur aktuellen Problematik – des stark reduziertem Bestandes — geführt haben. Um diesem Trend kurzfristig entgegenzuwirken, sind neue Fangbegrenzungen bzw. Fangverbote unabdingbar. Die Renaturierung der Gewässer sollte weiter vorangetrieben werden um den Fischen einen möglichst natürlichen Lebensraum bieten zu können. Außerdem sollte in die Forschung investiert werden, um eine künstliche Vermehrung der Aale in Aquakulturen zu ermöglichen um damit dem natürlichen Bestand zu entlasten oder den Krankheiten und Parasiten Einhalt gewähren zu können.
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Finde die Population hat sich doch gut erholt! Habe in den letzten zwei Jahren mehr und grössere Aale als früher gefangen.
Bei uns in der Elbe ist es mit den Aalen definitiv schlechter geworden @Peter
Echt super sowas ist klasse Arbeit
Danke für das Feedback Daniela! Die Renaturierung und Sanierung vieler Gewässer geht ja zum Glück voran. Hoffen wir, dass die WRRL schnellst möglich aller Orts umgesetzt wird.
Das ist ein sehr kompetenter Artikel. Vielen Dank für die interessanten Inofs. Ich bin sehr für eine Fangbegrenzung und vor allem auch für die Renatusierung der Gewässer. Das ist ja nicht nur für die Aale besser, sondern für so viele Tiere. Ich möchte hier nicht als Moralapostel erscheinen, esse ja selber gerne Fisch, aber neben allem Genuss sollten wir nie aus den Augen verlieren, dass die Tiere sich ausreichend weiter vermehren. 😉
Liebe Grüße aus Brixen Südtirol