Streetfishing in der Hansestadt
Besuch aus der Mutterstadt des Streetfishings
Vor einer Weile fragte Marco von Tightliners mich auf Facebook, ob ich nicht Lust hätte, einen Bekannten von ihm, der gerade mit seinem Vater auf Reisen und nun in Hamburg war, ein wenig zu guiden und ihm das anglerische Hamburg zu eröffnen, bzw. ihm einen Einblick in unsere Fischerei hier zu gewähren. Das Interessante an der Sache: Raphael, der Gast, stammt aus der Mutterstadt des Streetfishings: Paris! Bis heute war ich leider noch nicht dort, obwohl es vor einer Weile fast geklappt hätte, aber ich war natürlich sofort interessiert. Ohne überhaupt zu wissen, um wen es eigentlich ging, stimmte ich zu. Natürlich war ich gespannt, mit wem ich da zu tun hatte und ehrlich gesagt habe ich ihn, beim Abholen an der U‑Bahn Station gar nicht direkt erkannt, da ich jemanden mit einer Rute in der Hand erwartet hatte, während Raphael eine Reiserute mitgebracht hatte, die in vier Teile zerlegt in ihrem Futteral verstaut war. Gefunden habe ich den Gast aus Frankreich dann zum Glück doch noch!
Ich hatte eigentlich geplant, erst einmal Barsche, dann Zander und eventuell noch Aland und Rapfen zu ärgern. Die letzten Tage vor unserer Tour lief es immer hervorragend: Barsche in der Elbe, Zander ebenfalls und Aland in der Alster waren kein Problem gewesen. Nun standen wir allerdings vor einer Reihe Probleme: Erstens hatte Raphael keine leichte Rute dabei. Im Gegensatz zu unseren Barschrevieren und Zanderzonen sind Selbige in Paris von einem weiteren Räuber besetzt der dort so allgegenwärtig ist, dass Raphael viel stärkeres Gerät nutzt, als wir es hier tun würden. Welse sind dort häufige Beifänge. Raphael wusste nicht, dass diese Burschen hier lediglich ein wirklich seltener Beifang sind und so stand er mit einer etwas zu groben Combo zum Barschangeln da. Das war nun Problem Eins. Problem Zwei zeigte sich schnell an den ersten beiden Stellen, die in der Vergangenheit absolute Topspots für Barsch und Zander waren. Problem Zwei war genauer gesagt die Tatsache, dass hier nichts, aber auch wirklich gar nichts beißen wollte. Diese Stellen hatte ich eigentlich ausgesucht damit wir uns schnell entschneidern könnten. So zumindest der Plan. Wenn man mit hohen Erwartungen ans Wasser geht und plötzlich auf den Boden zurückgeholt wird, kann man schon mal ein wenig die Motivation verlieren. Beinahe wäre mir das passiert. Zum Glück hatte ich da noch ein Ass im Ärmel: Eine kleine Stelle, auf der die Zander oft konzentriert stehen. Der Spot ist hoffnungslos überlaufen und wird täglich befischt, jedoch nicht allzu häufig auf den entscheidenden paar Quadratmetern. Das Problem hier: Bekommt man nicht sofort einen Biss, ist der Köder oft ganz schnell verhakt und hängt fest. Irgendetwas hier ist ein ganz besonders fieses Ködergrab. Raphael hatte jedoch Glück, sein Köder wurde direkt in der ersten Absinkphase heftig attackiert und nach einem Anschlag in Bassfishing-Manier saß der Haken auch sauber. Sein erster Fisch in Hamburg hing am Haken und nach der Landung hielt er einen ü50er Zander in den Händen. Er war glücklich und von mir fiel die Anspannung, bzw. der Erfolgsdruck des „Guidings“ ab.
Nach diesem ersten Fisch stellte sich jedoch schnell wieder Ernüchterung ein, denn an sämtlichen weiteren Spots ging wieder einmal gar nichts. Wir hatten eine ganze Reihe großartiger Spots abgefischt, an denen ich und meine Freunde dieses Jahr schon viele Zander verhaften konnten, dazu Elbbarsche, Rapfen und Butts. Von all diesen Fischen ließen sich bis auf die jagenden, wenn auch nicht beißwilligen Rapfen keine Räuber blicken. Es zeichnete sich deutlich ab, dass dies kein guter Tag für die Elbe, bzw. für uns Angler an der Elbe sein sollte. Ein anderes Gewässer sollte nun her. Außerdem wollte ich Raphael unbedingt auch noch die Alster zeigen, da die Angelei dort schon eher mit dem Fischen in Paris, was ihm nur zu gut bekannt ist, vergleichbar ist. Nun hatte Raphael nur eine Rute dabei, die nicht gerade als fein zu bezeichnen ist. Er konnte also keine typisch leichten Finesse-Köder werfen. Zwar hat seine Daiwa Steez Ex das Potenzial diese Köder zu nutzen, seine Team Daiwa Reiserute ist jedoch eher was für Jigs oberhalb der 15g Grenze oder größere Hardbaits. Theoretisch war Raphael also im Nachteil. Seine Bissfrequenz sagte jedoch etwas andres aus. Ein am 14g Jig angebotener Swing Impact in einer hierzulande nicht erhältlichen Farbe provozierte Biss auf Biss. Leider blieb davon jedoch kein einziger Fisch hängen.
Wir klapperten wieder einen Spot nach dem anderen ab. Wieder und wieder flogen Cranks, Jigs, Texas Rigs und Weightless Köder unter die Brücken, an Wänden entlang und ins Freiwasser. Aber nichts tat sich. Kein weiterer Biss bei mir, kein weiterer Fisch für Raphael. Bis wir zu einem Spot kamen, an dem ich schon die gesamte Saison über bei jedem Besuch richtige Dickschiffe beobachten konnte, ohne dass sich jemals einer von ihnen zum Anbiss verführen ließ. Eigenartigerweise war dies heute nicht der Fall. Kein Fisch ließ sich blicken. Häufig sind hier kleine Brutfische knapp unter der Oberfläche unterwegs und fressen Planktion. Darunter trifft man für gewöhnlich kleiner Barsche an, die immer auf den gleichen Bahnen patroullieren. Und unter diesen Burschen stehen normalerweise Großbarsche, die hin und wieder hoch kommen, um sich wahlweise Kleinfisch oder mittelgroße Barsche zu schnappen. Nur war heute weder von den Kleinfischen, noch von der Mittelklasse oder der Kategorie Großbarsch etwas zu vernehmen. Raphael und ich ackerten uns auch an dieser Stelle wieder mit etlichen Ködertypen ab, um einen Biss zu provozieren, wurden jedoch nicht einmal mit Nachläufern „belohnt“. So langsam war ich mit meinem Latein mehr oder weniger am Ende, wollte wieder einmal den Spot wechseln und kündigte den letzten Wurf an. Perfekt flog mein Illex D‑Chubby an der Kaimauer entlang und landete knapp daneben auf voller Wurfdistanz auf der Oberfläche. Auf etwa der halben Entfernung bemerkte ich einen Schatten, der sich auf mich zubewegte. Als er näher kam konnte ich deutlich einen guten Barsch erkennen während mir auffiel, dass die Vibration des Köders ausgesetzt hatte und das Kurbeln plötzlich kaum spürbar schwerer wurde. Noch während ich mich wunderte, drehte der Fisch plötzlich zur Seite ab und ich sah meinen Chubby aufblitzen. Der Barsch hatte den kleinen Crank einfach inhaliert und schwamm mit gleicher Geschwindigkeit mit. Daher hatte ich in den ersten Sekunden nach dem Biss noch gar nicht bemerkt, dass eben dieser Fisch an meiner Rute hing. Da er sich nun wegdrehte realisierte ich was da gerade passiert, riss die Rute hoch und drillte den Fisch zum Kescher, den Raphael bereits herabgelassen hatte. Noch hielt ich meinen Fang für einen guten Enddreißiger, als ich den Barsch allerdings in den Händen hielt wurde schnell klar, dass er die 40er Marke erreicht haben müsste. Da das Abhaken aufgrund von zwei sehr sicher sitzenden Drillingen im Barschmaul ein wenig länger dauerte, als es mir lieb ist, entschied ich mich den Barsch nur kurz an die Rute anzuhalten und den Fisch schnell zu releasen. Mein Verdacht, dass ich hier die 40er Marke geknackt haben sollte, bestätigte sich kurz darauf beim nachmessen an der Rute.
Ich hatte zu dieser Zeit kaum mehr mit einem Fisch gerechnet, vor allem nicht mit so einer Kirsche! Raphael freute sich für mich mit und für den Rest des Tages hatte ich gute Laune. Die musste ich auch haben, denn danach kam kein weiterer Biss mehr und das Fischen wurde wirklich zäh. Erst als wir am späten Nachmittag noch meine Freunde Lauris und Marc trafen, kam für Marc noch ein Endzwanziger Barsch heraus, der dann aber auch wirklich das Ende des Angeltages einläutete.
Insgesamt war es ein wirklich lustiger und interessanter Angeltag. Der Grund dafür waren natürlich auch die beiden gefangenen Fische, aber in erste Linie unsere Unterhaltungen über Angeln in Deutschland und Frankreich, die Vorzüge, Unterschiede und Eigenarten. Ich dachte bisher immer, dass wir hier schon sehr „hart“ drauf sind, wenn es darum geht, wirklich direkt in der Stadt an merkwürdigen Spots zu fischen, aber da legen die Pariser Jungs nochmal gewaltig einen drauf…Außerdem habe ich von einer besonderen Aktion der Angler in der französischen Hauptstadt erfahren: Dort wird alle zwei Monate eine öffentliche Informationsveranstaltung direkt am Canal St. Martin gestartet, bei der z.B. Eltern und Kinder über das Sportfischen informiert werden und es selbst ausprobieren dürfen, sowie Leuten der Sinn von Catch & Release näher gebracht wird. Im Sommer gibt es dort sogar eine richtige Angelschule! Eine sehr gute Idee wie ich finde, die man ruhig auch mal in Hamburg, Berlin & Co. versuchen könnte (Wenn da nicht die bürokratischen Hürden wären…)! Diese und andere Erzählungen des Parisers haben mich angestiftet: Nächstes Jahr muss ich definitiv mal nach Frankreich! Raphael war übrigens so nett, ein kleines DAF Andenken in Paris anzubringen, das ich ihm mitgegeben habe. Wer sich für das Angeln in Paris interessiert, der sollte sich unbedingt im Internet informieren, allerdings sind da französische Sprachkenntnisse schon fast Pflicht.
Ich hoffe wie immer ihr hattet Spaß beim Lesen und wünsche Tight Lines! Wer von euch schonmal in Paris gefischt hat, möge doch bitte ein paar Zeilen von seinen Eindrücken in den Kommentaren dalassen, ich freue mich über jeden Kommentar!