Stationärrollen — worauf man beim Kauf achten sollte
Woran erkennt man eine gute Stationärrolle?
Der umsatzorientierte Fachhändler würde sagen: „Am Preis“. Nun, so einfach ist das natürlich nicht zu beantworten, denn gute Rollen müssen nicht teuer sein. Wer eine Stationärrolle kauft, hat bestimmt Grundbedürfnisse, die sich aus den Einsatzgebieten, den persönlichen Vorlieben und den Budgetvorgaben zusammensetzen. Die Frage müsste also richtiger lauten: Wie finde ich die beste Stationärrolle für mein Geld?
Formulieren wir zunächst einmal ein Postulat an unsere Neuerwerbung: „Sie soll über einen längeren Zeitraum unter allen zu erwartenden Bedingungen (z.B. wenn der Traumfisch am Haken hängt) klaglos ihren Dienst versehen.“
Diese kleine Rolle ist drei Jahre alt und wurde viel zum leichten Pilkfischen im Salzwasser eingesetzt und sieht, bei guter Pflege versteht sich, noch fast neuwertig aus.
Um diese Forderung erfüllen zu können, müssen bestimmte Merkmale und Materialvoraussetzungen erfüllt sein, die man sich durchaus vor dem Kauf genauer ansehen kann. Anders als die Multirolle wickelt die Stationärrolle die Schnur im rechten Winkel zur Laufrichtung auf. Dieses Konstruktionsprinzip verteilt die zu erwartenden Zugkräfte über den Schnurfangbügel auf Spule und Rotor und damit auf die Spulenlagerung und die Spulenachse, die sie weiter gibt an das Lauf- und Hubgetriebe. In diesem Belastungsszenario sind Ausfälle vorprogrammiert, wenn die Qualität nicht stimmig ist. Das kann bei verkanteten Spulen und verbogenen Achsen anfangen und bis zur Totalblockade des Getriebes führen, wenn sich die Zahnräder ineinander verkeilen. Letzteres ist mir noch in guter Erinnerung als vor Jahren ein Mitangler in British Columbia einen schweren Königslachs verlor, weil seine Rolle der Marke „ Außen Hui, innen…“ beim Drill gegen Fisch und starke Strömung mit einem „Getriebefresser“ den Geist aufgab. Auch wenn es nicht gleich zu einem Totalausfall kommen muss, führt mangelnde Qualität schnell zu kleinen und großen Ärgernissen im praktischen Gebrauch. Um nun die eigene Kaufentscheidung absichern zu können, macht es Sinn, die neuralgischen Bauteile in Ruhe zu prüfen, sei es vor Ort beim Fachhändler oder nach Kauf über den Online Shop zu Hause. Das kann man z.B. in folgender Reihenfolge tun:
1. Schnurfangbügel einer Stationärrolle
Das Schnurlaufröllchens und die Bügelfedern sind Verschleißteile, deshalb ist eine Ersatzteilversorgung ein unbedingtes Muss. Der Bügel selbst sollte verwindungssteif sein und der Federdruck so bemessen, das der Bügel einerseits sicher offen bleibt auch bei einem Gewaltwurf, andererseits aber genügen Federdruck entgegensteht, dass er auch automatisch sicher schließt und nicht halb geöffnet hängen bleibt. Diese Funktionen kann man wiederholt prüfen und dabei auch einen Blick auf die Materialanmutung werfen.
Starker Schnurfangbügel (3) mit Schnurlaufröllchen (2) und Drehgelenken (1) hinter denen die Spannfedern sitzen. Rotor (5) und kräftig dimensionierte Spulenachse (4)
2. Das Bremssystem einer Stationärrolle?
Der Aufbau des Bremssystems ist zweitrangig, wichtig ist die Funktion, die drei Kriterien erfüllen muss:
· Minimale Anfangshemmung Ansprechverhalten)
· Feine Bremsdosierung
· Ausreichende Bremskraft
Alle Kriterien kann man am besten prüfen, indem man 20m Schnur aufspult und die Bremswirkung in Verbindung mit einer Rute testet. Hilfreich ist dabei eine zweite Hand als „Fischersatz“. Das lässt sich zu Hause einfacher durchführen als beim Fachhändler, verzichten sollte man darauf aber nicht.
3. Der Rotor einer Stationärrolle
Der Rotor der Stationärrolle sollte nur minimales Spiel haben, zentriert sein und gleichmäßig laufen. Die Zentrierung prüft man mit Sichtkontakt (Blick von unten), die Spielfreiheit (minimales Spiel muss sein) mit dem Wackeltest und die Gleichmäßigkeit des Laufs mit der Drehprobe sehr langsam und sehr schnell. Dabei kann man Unwuchten und mögliche Hemmungen (die natürlich auch vom Getriebe kommen können) feststellen.
4. Die Spulenachse einer Stationärrolle
Die Spulenachse ist ein weiteres, wichtiges Bauteil, das ausreichend stabil (Materialstärke) und möglichst mehrfach gelagert sein sollte. Die Stabilität prüft man am besten im Vergleich zu einer Billigrolle, da sind Unterschiede schnell herausgearbeitet. Die Achsenlagerung kann man sehen, wenn das Rollengehäuse offen ist. Wenn man es nicht öffnen kann oder will, hilft evtl. die Produktbeschreibung oder der Fachhändler weiter.
Kräftige Achse, die dreifach gelagert ist (1+2+3) bei allen Slammerrollen, befähigt selbst das kleinste Modell der Größe 3 zum Pilkfischen mit geflochtener Schnur. Das Kugellager (5) mit Innengewinde für die Kurbel sitzt auf dem Antriebsrad.
5. Die Kurbel einer Stationärrolle
Die Kurbel ist die Schnittstelle zum Antriebsrad des Getriebes. Fast alle Rollen sehen ein Betrieb für Links- und Rechtshänder vor, dazu wird die Kurbel im Gehäuse einfach von links nach rechts getauscht. Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten der Umsetzung: mit und ohne Innengewinde im Antriebsrad. Ist ein Gewinde vorhanden, schraubt man die Kurbel einfach auf das Getrieberad auf und schafft damit eine feste und spielfreie Verbindung. Viele preiswerte Rollen setzen eine Vierkantachse direkt auf die Kurbel und schieben diese Achse einfach links oder rechts durch die entsprechende Achsführung des Getriebes. Im Prinzip besteht dann nur eine lose Verbindung zwischen Kurbel und Getriebe mit mehr oder weniger viel Spiel und entsprechendem Verschleißpotential. Wer das Gefühl bei einem nicht spielfreien Fahrradtretlager kennt, kann das nach längerem Gebrauch dann auch bei seiner Rolle erleben. Ob nun Schraub- oder Achsenlösung bei der Rolle vorliegt, zeigt sich sofort an der Art und Weise wie die Kurbel abgenommen werden kann.
Kurbelbefestigung mit Gewinde, das Innengewinde in der Rolle sitzt in einem Kugellager, das mit der Gehäuseabdeckung bündig abschließt, Getriebeverkantungen damit ausgeschlossen.
6. Das Getriebe einer Stationärrolle
Das Getriebe erstes oder als letztes Glied der Kette, je nachdem von wo aus (Schnurseite oder Kurbelseite) man es betrachtet, ist hohen Belastungen ausgesetzt, sobald es gegen die Schnurspannung arbeiten muss. Wie gut solche Belastungen weggesteckt werden, hängt von mehreren Faktoren ab. Der Materialeinsatz ist einer, das präzise Ineinandergreifen der Zahnräder mit genügend Auflagefläche (Schrägverzahnung) ein anderer, die Räderführung, die ein Verkanten der Getriebeteile verhindert, ein wichtiger dritter und das Getriebdesign ein vierter. Bei der Inspektion des Kaufaspiranten lässt sich das Getriebespiel prüfen. Es wird sofort erfahrbar, wenn man den Rotor festhält und die Kurbel nach vorn und zurück bewegt. Als nächsten dreht man die Rolle langsam mit wenig Kraft und achtet dabei auf das Getriebegeräusch und einen gleichmäßigen Ablauf. Das muss ohne eine auch nur leichte Hemmung ablaufen. Lässt sich die Rücklaufsperre ausschalten, probiert man das Ganze dann noch im Rückwärtsgang. Gibt es keinerlei Auffälligkeiten, hält man den Rotor fest und bewegt die Kurbel mit etwas mehr Kraft nach vorn und zurück. Bei einer Getriebeneigung zum Verkanten kann man unter Umständen etwas fühlen oder hören. Damit sind die Prüfmöglichkeiten erschöpft. Sicher ist, dass alle bisher möglichen Beobachtungen nur Anhaltspunkte darstellen, ob das Prüfstück den eigenen Vorstellungen entspricht. Letztlich wird aber erst die Praxis zeigen können, was man an Qualität eingekauft hat.
Die Wahrscheinlichkeit, einen guten Kauf getätigt zu haben, erhöht sich, wenn
· Die Rolle schon lange unverändert auf dem Markt ist,
· Die Ersatzteilversorgung ein selbstverständlicher Servicebestandteil ist,
· Der Preis über einen längeren Zeitraum stabil geblieben ist.
· Es in den Foren wenige negative aber viele positive Statements gibt.
Die Erfahrung zeigt, dass gute Qualitätsrollen nicht gleich mehrere 100 Euro kosten müssen. Auf dem Rollenmarkt tummeln sich einige Modelle, die vielen Ansprüchen genügen können, ohne die letzten 10% mitzubringen, die in den anspruchsvollen Hochleistungsmodellen zu finden sind. Hier gilt auch die Erkenntnis, dass die letzten 10 % sehr teuer sind.
Stationärrollen im Einsatz: Salzwasserfischen in den Schären von leicht bis mittelschwer
Ich fische seit mehr als 15 Jahren überwiegend im Salzwasser und habe z.B. mit der Penn Slammer Serie und einigen Modellen von Fin-Nor über Jahre hinweg beste Erfahrungen gemacht. Beide Serien sind zwar keine Billigheimer aber mit Preisen zwischen 60 und 150 Euro durchaus erschwinglich.
Autor: Gerd S.
Ich habe mit Rollen (auch von Herstellern mit gutem Ruf) schon echt schlechte Erfahrungen gemacht. Am liebsten bestelle ich nicht über das Internet, sondern packe die Rolle wirklich aus um einmal “Probezukurbeln”. Wenn man vier, fünf Rollen vom selben Model hintereinander Probekurbelt, merkt man wie gewaltig bei manchen Herstellern die Qualitätsschwankungen sind!