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Angelberichte

Eigentlich wollten wir nur in Ruhe angeln

Eine Kurzgeschichte aus den 80ern in Irland

Links herum läuft´s manchmal dumm

Es muss so Anfang der 80er Jah­re gewe­sen sein, als wir uns das ers­te Mal nach Irland auf­mach­ten, um an einem der gro­ßen Shan­non Seen, dem Lough Ree, Brown Trouts und Hech­ten nach­zu­stel­len. Am Dub­lin Air­port, damals noch klein und fami­li­är, war der Miet­wa­gen­schal­ter schnell gefun­den, das zuge­wie­se­ne Fahr­zeug auf dem Park­platz auch. Fahr­zeug inspi­ziert, Gepäck ein­ge­la­den und den Fahr­weg auf der mit­ge­brach­ten Kar­te stu­diert. Bis dahin lief alles bes­tens, wir waren ja cle­ver. Als Fah­rer fand ich mich zunächst auf dem Bei­fah­rer­ge­stühl wie­der, natür­lich, das Lenk­rad war ja rechts. Auch das Schal­ten mit links war gewöh­nungs­be­dürf­tig. Nach 500m, im ers­ten Krei­sel, war ich so mit der Bedie­nung des fahr­ba­ren Unter­sat­zes beschäf­tigt, dass ich prompt rechts in das Ron­dell hin­ein fuhr und plötz­lich vis a vis mit einem Klein­trans­por­ter zu ste­hen kam. Des­sen Fah­rer hat­te das Sze­na­rio, wie es schien, schon erlebt, sein brei­tes Grin­sen konn­te man so deu­ten. Nun gut, ich lern­te mei­ne ers­te Lek­ti­on, “Wie kommt man rechts­her­um aus einem Kreis her­aus, wenn alle Aus­fahr­ten auf links ste­hen?“ Im nächs­ten round­about, der die Grö­ße eines hal­ben Fuß­ball­fel­des hat­te, fuhr ich rich­tig hin­ein, war aber in der Flut schnell­fah­ren­der Iren auf vier Spu­ren über­for­dert, so dass es dies­mal die fal­sche Aus­fahrt war und wir unfrei­wil­lig zu einer Stadt­rund­fahrt in Dub­lin kamen. Hier lern­te ich mei­ne zwei­te Lek­ti­on „Nie­mals im flie­ßen­den Ver­kehr anhal­ten und nach dem Weg fra­gen“. Danach lief es bes­ser. Der eher gefühls­mä­ßig ein­ge­schla­ge­ne Weg war ziel­ge­rich­tet, ledig­lich der Bei­fah­rer war einem Kol­laps nahe, da die von ihm gesich­te­ten Abstän­de zu ande­ren Fahr­zeu­gen angeb­lich im Zen­ti­me­ter­be­reich lagen. Das habe ich anders gese­hen, manch einer ist da wenig belastbar.
Auf der Land­stra­ße in Rich­tung Gal­way ent­spann­te sich die Lage zuse­hends. Der Bei­fah­rer hat­te sei­nen Abstands­war­nun­gen ein­ge­stellt und ich hat­te mir eine neue Stra­te­gie über­legt, wie die Abstän­de links auf ein siche­res Maß zu hal­ten waren. Ich ori­en­tier­te mich von nun an rechts an der Mit­tel­li­nie, die ich stur ent­lang fuhr. Das klapp­te mehr als eine Stun­de lang wun­der­bar bis uns, aus­gangs des Ört­chens Glas­son, auf schma­ler Stra­ße, ein Tief­la­der mit Über­brei­te ent­ge­gen kam und uns um ein Haar erwischt hät­te. Mit mei­ner drit­ten Lek­ti­on „ Die Mit­fah­rer ruhig lei­den las­sen“ fühl­te ich mich im Links­ver­kehr schon etwas mehr zu Hau­se, vor allem das links abbie­gen hat­te es mir ange­tan. Auf den letz­ten drei Mei­len zum gemie­te­ten Haus wur­de der Weg ein­spu­rig, kur­vig und sehr unüber­sicht­lich. Wäh­rend mich die Stra­ßen­füh­rung das ein oder ande­re Mal über­rasch­te, hat­ten die Ein­hei­mi­schen aus der Gegen­rich­tung augen­schein­lich ein Gefühl dafür ent­wi­ckelt, ob in der nächs­ten Kur­ve jemand zu erwar­ten war oder nicht.
Auf den letz­ten Metern zum Ziel wur­de es noch ein­mal knapp. Unver­mit­telt tauch­ten zwei stäm­mi­ge Mädels auf hohen Rös­sern auf, nicht im Min­des­ten über­rascht, dass ihnen ver­schreck­te Tou­ris­ten den Weg ver­sperr­ten. Sie grüß­ten freund­lich, wenn auch etwas von oben her­ab, und lie­ßen uns vorbeiziehen.

Lough Ree House, ein wun­der­schö­nes Domi­zil am Lough Ree, ca. 4 km abseits der Ort­schaft Glas­son, in Allein­la­ge mit rie­si­gem Grund­stück und eige­nem Hafen in Wurfweite.

Hin­ter der nächs­ten Kur­ve war der Weg zu Ende. Wir fuh­ren durch einen engen Tor­bo­gen und erreich­ten über teils tie­fe Schlag­lö­chern unser Domi­zil, das ein kaum les­ba­res Holz­schild mit der Auf­schrift „Lough Ree House“ am Weges­rand ange­kün­digt hat­te. Vor uns tat sich die Wei­te des Sees auf, just in die­sem Moment in einem ein­zig­ar­ti­gen Natur­schau­spiel. Eine auf­zie­hen­de Regen­front hat­te den Him­mel über dem See sam­tig schwarz ein­ge­färbt und aus zwei ver­blie­be­nen Öff­nun­gen flu­te­te das Son­nen­licht wie aus über­gro­ßen Such­schein­wer­fern auf das Was­ser, brach sind tau­send­fach in den klei­nen Wel­len und tauch­te die Was­ser­ober­flä­che in ein Meer aus fun­keln­den Dia­man­ten. Ohne ein Wort stan­den wir da, staun­ten und lie­ßen uns von der Stim­mung einfangen.
„Gott Vater muss Ire gewe­sen sein“, sag­te jemand aus der Run­de unver­mit­telt und jeder nick­te zustim­mend als ob es sein eige­ner Gedan­ke gewe­sen wäre. Die Anspan­nung der letz­ten Stun­den war nicht mehr zu spü­ren. Sie hat­te einem woh­li­gen inne­ren Frie­den Platz gemacht, der die Erleich­te­rung ein­schloss, es zum Ziel heil und ohne den kleins­ten Krat­zer geschafft zu haben.

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Erst jetzt nah­men wir den klei­nen Hafen zu unse­rer Rech­ten wahr, in dem nur eine wei­ße 10m Motor­yacht lag. Auf der Gegen­sei­te konn­ten wir zwei motor­be­stück­te 19 Fuß (5,70m) gro­ße Boo­te aus­ma­chen, die wir für unse­re Angel­tou­ren in den nächs­ten Tagen gedank­lich ver­ein­nahm­ten. Auf dem kur­zen Weg zur Unter­kunft fie­len die ers­ten Regen­trop­fen und wir beeil­ten uns, das Gepäck ins Haus zu bekom­men. Der Haus­tür­schlüs­sel steck­te, die Zen­tral­hei­zung lief und wir hat­ten kaum die Ein­gangs­tür geschlos­sen, da öff­ne­te der Him­mel sei­ne Schleu­sen und ließ Haus und Hof hin­ter einem Vor­hang aus Was­ser verschwinden.

Fisch und Boot ist hartes Brot

Der Durch­lauf­er­hit­zer der Dusche war laut wie ein Kom­pres­sor und sein Mon­ta­ge­ort wenig ver­trau­en­er­we­ckend. Man wur­de das Gefühl nicht los, dass ein elek­tri­scher Kas­ten mit­ten im trop­fen­den Dusch­was­ser nichts zu suchen hat. Die Was­ser­tem­pe­ra­tur war o.k., die Was­ser­men­ge mach­te aber nur „feucht“. Der gest­ri­ge Regen wäre ergie­bi­ger gewe­sen. „Erfri­schung geht anders“, das war die ers­te Erkennt­nis des jun­gen Tages.
Ein „Full Irish Break­fast“ mit Würst­chen, Speck, Blut­wurst, geba­cke­ner Toma­te, Spie­gelei und Toast ent­schä­dig­te reich­lich für ent­gan­ge­ne Dusch­freu­den. Auch der eng­li­sche Tee des Hau­ses mit Milch und Zucker wur­de von allen Kaf­fee­trin­kern als genieß­bar ein­ge­stuft. Vom Ess­tisch aus hat­ten wir einen unge­hin­der­ten Blick auf den See, der bei leich­ter Bewöl­kung in ein zar­tes Blau getaucht war. Die Büsche und Bäu­me am Ufer wink­ten freund­lich her­über und signa­li­sier­ten eine fri­sche Bri­se auf dem Was­ser, die sich in einem unru­hi­gen Wel­len­bild mit leich­ten Schaum­kro­nen wiederspiegelte.
Nach einer gemüt­li­chen Boots­tour sah das nicht aus.
Aus der Fer­ne hör­te man das Motor­ge­räusch eines klei­nen Boo­tes näher kom­men und jeder war gespannt, wie es sich in dem Wel­len­gang anstel­len würde.
Dann sahen wir ihn zum ers­ten Mal. Der alte Herr, mit brau­ner Wind­ja­cke, Schal und Pudel­müt­ze beklei­det, hock­te in gebück­ter Hal­tung auf der Heck­bank sei­nes klei­nen Boo­tes, die rech­te Hand an der Pin­ne des lär­men­den Außen­bor­ders und blick­te in Fahrt­rich­tung am Bug sei­nes Fahr­zeu­ges vor­bei, das, ob der unglei­chen Gewichts­ver­tei­lung, wie ein Hin­kel­stein aus dem Was­ser rag­te. Wenn eine Wel­le kam und gegen den Rumpf des Boo­tes klatsch­te, war das Geräusch bis ins Haus zu hören. Das Fahr­zeug voll­zog klei­ne Sprün­ge und wedel­te nach links oder rechts als wol­le es aus dem Ruder lau­fen. Auf der mitt­le­ren Bank saß ein Hund, ein Misch­lings-Col­lie, der das Gesche­hen ker­zen­ge­ra­de und bewe­gungs­los wie eine Bron­ze­sta­tue ver­folg­te. Wer erwar­tet hät­te, dass die nächs­te Wel­le ihn aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen wür­de, sah sich getäuscht. Selbst schaum­be­wehr­te klei­ne Was­ser­ber­ge, wie sie an die­sem Mor­gen in Abstän­den vor­ka­men, schüt­tel­ten nur das Boot durch,“ Las­sie“ bliebt davon unbe­ein­druckt. Zu unse­rem Erstau­nen fuhr das unglei­che Paar als­bald mit­ten in ein wei­tes Schilf­feld, das sich an unse­re Hafen­ein­fahrt anschloss und war nach kur­zer Zeit dar­in verschwunden.
An die­sem Mor­gen nahm ich mei­ne ers­te Boots­fahr­stun­de. Das Start­ri­tu­al eines klei­nen Außen­bor­ders kann­te ich von mei­nem Rasen­mä­her, der mich mit­un­ter zur Weiß­glut brin­gen konn­te, wenn er par­tout nicht ansprin­gen woll­te. Mein wei­ßer 6PS John­son muss­te mit ihm ver­wandt sein. Er ver­hielt sich genau­so stör­rig, war aber an dem Ergeb­nis unschul­dig. Er bekam kei­nen Sprit. Ich hat­te schlicht und ein­fach ver­ges­sen, die Lüf­ter­schrau­be am Tank auf­zu­dre­hen, ein Hand­griff, der mir am Abend zuvor mehr­fach ans Herz gelegt wor­den war. Als ich das nach­ge­holt hat­te, lief er bereits nach dem ers­ten Zug. Mit meh­re­ren Vor und Zurück hat­te ich das Boot schnell in die rich­ti­ge Rich­tung diri­giert und tucker­te durch einen kur­zen, schma­len Kanal in Rich­tung Hafen­aus­fahrt. Die Angel­ru­te hat­te ich neben den Motor nach hin­ten gelegt. Der Köder, ein Blin­ker gold-sil­ber, ver­gnüg­te sich ein paar Meter dahin­ter im Schrau­ben­was­ser der Maschi­ne. Ich nahm mir vor, zunächst ein Gefühl für das Ver­hal­ten des Boo­tes zu ent­wi­ckeln, bevor ich mich auf das eigent­li­che Angeln kon­zen­trier­te. Der See erfor­der­te an die­sem Tag die vol­le Aufmerksamkeit.

Der Erfolgs­kö­der Nr. 1, ein alt­be­wehr­ter DAM Eff­zett in gold/silber, 45g schwer. Gibt es auch in 60g, ide­al um in Tie­fen bis 3 m auf Hecht und Brown Trout zu schlep­pen. Die unten gezeig­te Forel­le ging pro­blem­los auf einen solch schwe­ren Blinker.

Das Boot pas­sier­te gera­de eine schwar­ze Stan­ge, die die Fahr­rin­ne vor der Hafen­ein­fahrt mar­kier­te, als mei­ne Rute neben mir über Bord gehen woll­te und nur mit einem beherz­ten Griff dar­an gehin­dert wer­den konn­te. Am ande­ren Ende war hef­ti­ge Gegen­wehr zu spü­ren und hin­ter dem Boot schnell­te plötz­lich ein Kraft­pa­ket von etwa 10 Pfund aus dem Was­ser und mach­te sich mit sir­ren­der Brem­se auf den Weg in Rich­tung Schilf. Instink­tiv war mir klar, dass wir unser Boot bei die­sem See­gang in tie­fe­res Was­ser brin­gen muss­ten, eher ich mich um den Drill des Hech­tes küm­mern konn­te. Also hielt ich den Fisch mit der rech­ten Hand auf Zug und fuhr mit der lin­ken an der Pin­ne das Boot gegen Wind und Wel­len in tie­fe­re Gefil­de. Das hört sich ein­fach an, war aber har­te Arbeit und in mei­ner Uner­fah­ren­heit mit einem mul­mi­gen Gefühl ver­bun­den. Den Wel­len­tanz am eige­nen Leib zu spü­ren, war etwas ande­res, als dem alten Herrn vom Früh­stücks­tisch aus ent­spannt zuzu­se­hen. Nach einer gefühl­ten Ewig­keit war es dann soweit. Bei Dre­hen des Boo­tes erwisch­te uns ein Bre­cher von der Sei­te und wir nah­men ein paar Liter Was­ser auf, was zu einem Anflug von Panik unten der Besat­zung führ­te. Mit dem Heck gegen den Wind beru­hig­te sich die Lage aber schnell wie­der. Die Mit­strei­ter schöpf­ten Was­ser und ich drill­te im Auf und Nie­der des Boo­tes mei­nen Hecht. Kurz vor der Lan­dung war ich zu unge­dul­dig und for­cier­te den Zug zu stark. Der Fisch kam mit einem Sprung aus dem Was­ser, schüt­tel­te sich und war frei. Als er mit einem kräf­ti­gen Schwanz­schlag in den Tie­fen des Lough Ree ver­schwand, war ich fast erleich­tert, dass er mich aus der Dop­pel­be­las­tung „Fisch & Boot“ befreit hat­te. Im Stil­len muss­te ich noch grin­sen, als mir ein Satz mei­ner Mut­ter in den Sinn kam, die immer behaup­tet hat­te, dass „ Män­ner im Gegen­satz zu Frau­en kei­ne zwei Din­ge gleich­zei­tig tun können.“

Typisch für die vie­len Inseln und Land­zun­gen am Lough Ree. Ein Haus mit klei­nen Stal­lun­gen, kein Nach­bar weit und breit.

Nach die­sem Auf­takt ent­schied ich in den Wind­schat­ten einer klei­nen Insel zu fah­ren, die viel­leicht 100m von unse­rer Hafen­ein­fahrt ent­fernt war. Dort war es deut­lich ruhi­ger und der Fang­er­folg beim Schlep­pen ließ nicht lan­ge auf sich war­ten. Inner­halb einer Stun­de hat­ten wir zu dritt so um die 10 Hech­te zwi­schen zwei und 6 Pfund erbeu­tet, die alle­samt wie­der unbe­scha­det zurück­ge­setzt wer­den konn­ten. Unse­re Dril­lin­ge hat­ten kei­ne Wider­ha­ken. Danach wur­den wir muti­ger und mach­ten uns wie­der auf ins Frei­was­ser um, wie es hieß, den gro­ßen Hech­ten nach­zu­stel­len. Lei­der stell­ten wir schnell fest, dass Schlepp­ver­su­che bei die­sen Wind­ver­hält­nis­sen wenig Sinn mach­ten, da weder der Kurs noch die pas­sen­de Schlepp­ge­schwin­dig­keit gehal­ten wer­den konn­te. Der See­gang schüt­tel­te uns ordent­lich durch und nass wur­den wir auch, wenn die Wel­len sich am Bug des Boo­tes brachen.

Also beschlos­sen wir den hei­mat­li­chen Hafen anzu­steu­ern, was ohne wei­te­re Zwi­schen­fäl­le gelang. Beim Aus­stei­gen war ich etwas weich in den Knien und erleb­te zum ers­ten Mal ein Phä­no­men, das wir an die­sem Tag „Wel­len­syn­drom“ tauf­ten. Zuerst war es der Steg, auf dem ich stand, dann, beim Blick in die Run­de, auch das wei­te­re Umfeld, das sich in einem uner­klär­li­chen Rhyth­mus zu bewe­gen schien und dabei auch vor dem Ver­zer­ren der Per­spek­ti­ve nicht halt­mach­te. Jedem Ver­such den opti­schen Ein­druck ver­stan­des­mä­ßig wie­der auf „nor­mal“ zu stel­len, wider­sprach der Teil des Gehirns, dem über Stun­den Wel­len­be­we­gun­gen und nichts als Wel­len­be­we­gung ein­ge­brannt wor­den war. Die­ser Zustand hielt län­ge­re Zeit an und trat auch nach Stun­den unver­mit­telt wie­der auf.

Unverhofft kommt nicht so oft

Am nächs­ten Mor­gen waren die Schaum­kro­nen auf dem Was­ser ver­schwun­den, das Wel­len­syn­drom auch. Der Wet­ter­be­richt mel­de­te hei­ter bis wol­kig mit Wind­stär­ken so um zwei bis drei. Der See lud uns leicht gekräu­selt ein, den gro­ßen Fisch zu fan­gen und wir lie­ßen uns nicht lan­ge bit­ten. Schnell waren wir im Boot und auf dem Was­ser unter­wegs. An die­sem Tag zog es uns in eine grö­ße­re Bucht süd­öst­lich unse­res Hau­ses, die von einem mäch­ti­gen Schilf­gür­tel umge­ben war, in dem der Mann mit sei­nem Hund tags zuvor ver­schwun­den war. Die Bucht ent­pupp­te sich als Flach­was­ser­zo­ne mit Tie­fen unter 5m in der Mit­te und unter einem Meter in der Nähe des Schil­fes. Direkt nach der Laich­zeit ein idea­les Revier, um eine kapi­ta­le Hecht­da­me in den wär­me­ren fla­chen Rand­zo­nen zu über­lis­ten. Wir fuh­ren zuerst den tie­fe­ren Bereich ab und arbei­te­ten uns dann in die Nähe des Schilf­gür­tels vor. Bei den gerin­gen Was­ser­tie­fen ver­zich­te­ten wir auf den Motor und ruder­ten. Mit die­sem Antrieb war es leich­ter, die Schlepp­ge­schwin­dig­keit so anzu­pas­sen, dass der Köder ver­füh­re­risch lief aber lang­sam genug war, fau­le Groß­hech­te zum Anbiss zu rei­zen. Anfäng­lich führ­te die­ser Metho­de zu eini­gen Hän­gern, mit der Zeit hat­ten wir den Dreh aber raus. Wir fisch­ten die Schilf­kann­te zwei Mal ohne Ergeb­nis ab und woll­ten gera­de das Boot wen­den, als der Blin­ker wie­der ein­mal fest saß. Alle Ver­su­che, ihn zu lösen, blie­ben erfolglos.

Dann geschah etwas Unerwartetes.

Ich saß mit gekrümm­ter Rute im Heck des Boo­tes und über­leg­te, was ich jetzt tun woll­te, da dreh­te sich das antriebs­lo­se Boot plötz­lich und begann kurz dar­auf lang­sam Fahrt auf­zu­neh­men. Wir sahen uns an und ver­stan­den. Ich hat­te ein U‑Boot an der Lei­ne. Dem Ver­hal­ten nach zu urtei­len, war das etwas ganz gro­ßes, das ein fast 6m lan­ges Boot mit drei Insas­sen und einem Gesamt­ge­wicht von schät­zungs­wei­se einer hal­ben Ton­ne wie ein Acker­gaul zie­hen konn­te. Das Boot nahm Kurs auf die Bucht­mit­te in tie­fe­res Was­ser. Wäh­rend ich bemüht war, den Kon­takt zum Fisch rich­tig zu dosie­ren, damit der Haken nicht aus­schlit­zen konn­te, waren die bei­den Mit­strei­ter im Boot stumm gewor­den. Die Anspan­nung war haut­nah zu spü­ren. Ich über­leg­te fie­ber­haft, ob ich dem Trei­ben wei­ter zuse­hen oder bes­ser aktiv wer­den soll­te, ver­warf den Gedan­ken aber sofort wie­der. Mei­ne Rute war viel zu weich, um dem Fisch genü­gend Kraft ent­ge­gen zu set­zen. Also füg­te ich mich in unser Schick­sal, und beschloss, ein­fach abzu­war­ten. Es kam ja nicht alle Tage vor, vor einem Fisch gezo­gen zu wer­den. Gera­de hat­te ich mich etwas ent­spannt, da war es vor­bei. Die Schnur wur­de schlaff, das Boot ver­lor an Fahrt und blieb ste­hen. Der Blin­ker wur­de unbe­schä­digt gebor­gen. Am Dril­lings­ha­ken fan­den wir ein klei­nes Stück Fisch­haut, das in Art und Form von der Spit­ze eines Hecht­mauls stam­men konn­te. Wir einig­ten uns dar­auf, dass es nur ein Hecht der 30 Pfund Klas­se oder schwe­rer gewe­sen sein konn­te, der den Haken sehr knapp gefasst hat­te. Lan­ge hiel­ten wir uns mit den Spe­ku­la­tio­nen nicht auf. Es zog uns wie­der zurück an den Schilf­rand in der stil­len Hoff­nung ein wei­te­res Mal eine aus­ge­wach­se­ne Hecht­da­me an die Angel zu bekom­men. So ver­ging der Tag, ohne dass sich etwas ereig­ne­te. Am Nach­mit­tag frischt der Wind auf und wir bra­chen das Angeln ab. Son­ne hat­ten wir mehr als genug getankt, die ein oder ande­re Kör­per­stel­le mel­de­te bereits leich­ten Son­nen­brand. Kon­di­tio­nell waren die Reser­ven durch das stun­den­lan­ge Rudern auf­ge­braucht. Zurück im Hafen hiel­ten wir auf der Mau­er der Hafen­ein­fahrt Aus­schau nach unse­rem zwei­ten Boot, das bald danach gesich­tet wurde.

Das Zwei­er­team hat­te, wie sich spä­ter her­aus­stel­le, neben zwei klei­ne­ren Exem­pla­ren einen gut 15 Pfund schwe­ren Hecht erbeu­tet, der wie­der zurück­ge­setzt wor­den war. Das Fang­er­geb­nis muss Ihnen zu Kopf gestie­gen sein, denn bei­de ver­kün­de­ten in ihrem Über­mut, wie der alte Mann am Vor­tag, durch das Schilf fah­ren zu wol­len. Kaum hat­ten sie die ers­ten Schilf­hal­me, die in loser Rei­he eini­ge Meter vor dem Schilf­feld stan­den, erreicht, heul­te der Motor kräf­tig auf, schob aber das BOOT nicht mehr an. Es dau­er­te eine Zeit bis den Insas­sen im Boot und uns Zuschau­ern auf dem Hafen­deck klar wur­de, was gesche­hen war. Der Scher­stift der Schrau­be war gebro­chen. Das ist die Soll­bruch­stel­le zwi­schen Getrie­be und Schrau­be, die einen Motor­scha­den ver­hin­dern soll, wenn die Schrau­be auf ein Hin­der­nis trifft. Dass dazu auch ein­mal ein kräf­ti­ger Schilf­halm aus­reicht, hat­ten wir soeben erlebt.

kaputtes Boot beim Hechtangeln
Das ist die beschrie­be­ne Situa­ti­on: Scher­stift gebro­chen, Ruder­an­trieb zu schwach um das schwe­re Gefährt vom Schilf fern­zu­hal­ten. Leich­te Panik ist zu sehen, Hil­fe ist aber unter­wegs, da es sich rela­tiv nahe zur Hafen­ein­fahrt abspielt.

Aus war der Traum, es dem alten Mann mit dem Hund gleich tun zu kön­nen. Jetzt war schnel­les Han­deln ange­sagt, denn der ablan­di­ge Wind drück­te das Boot in den Schilf­gür­tel hin­ein. Die bei­den ver­such­ten mit kräf­ti­gen Ruder­schlä­gen das Fahr­zeug in Rich­tung Hafen­ein­fahrt zu bewe­gen, stell­ten aber fest, dass sie gegen Wind und Wel­len kei­nen Meter gut machen konn­ten. Wenn sie erst ein­mal mit­ten im Schilf fest­sa­ßen, wäre es schwer gewor­den, ihnen zu hel­fen. Also lief ich zum Haus und hol­te ein lan­ges Tau, das wir Ihnen über eine Wurf­lei­ne vom Ufer aus zuwar­fen. Der drit­te Ver­such gelang und wir konn­ten das antrie­b­lo­se Boot aufs Land zie­hen. Erleich­te­rung mach­te sich bei der Boots­be­sat­zung breit aber wir stan­den jetzt vor dem Pro­blem, den Motor wie­der lauf­fä­hig machen zu müs­sen. Nie­mand von uns war tech­nisch ver­siert genug oder hat­te eine sol­che Repa­ra­tur bereits durch­ge­führt. Wäh­rend wir berat­schlag­ten, fiel mir ein, den Boots­eig­ner der wei­ßen 10m Yacht beim Seil­ho­len gese­hen zu haben. Etwas wider­wil­lig kam er kur­ze Zeit spä­ter zu uns. Natür­lich wuss­te er war zu tun war, selbst Hand anzu­le­gen wies er aber weit von sich. Nach sei­ner knap­pen Anwei­sung führ­ten wir den Aus­tausch des Scher­stif­tes durch. Wenn man es ein­mal gemacht hat­te, war es leicht. Im Wie­der­ho­lungs­fall hät­ten wir nie­man­den mehr gebraucht. Zurück im Was­ser lief der Motor wie­der nor­mal und das Boot ließ sich bereit­wil­lig in den Hafen diri­gie­ren. Das war geschafft und in unse­rer Freu­de und Zufrie­den­heit über den Erfolg luden wir unse­ren Hel­fer, den wir spä­ter Patrick tauf­ten, zu einem küh­len Bier ein. Sei­ne Ableh­nung kam so uner­war­tet und schroff, dass wir alle wie vor den Kopf gesto­ßen waren und ver­är­gert ins Haus gin­gen. Das hat­ten wir auf all unse­ren Rei­sen noch nicht erlebt. Es war nicht das Nein an sich, das uns so auf­reg­te, son­dern die Art und Wei­se wie es vor­ge­bracht wor­den war. In den vier Wän­den mach­ten wir unse­rem Zorn Luft und lie­ßen kein gutes Haar an ihm. Die­ser Ein­druck ver­stärk­te sich eini­ge Zeit spä­ter noch. Als es anfing zu däm­mern, sahen wir, dass Patrick die Bil­ge sei­nes Boo­tes säu­ber­te. Das Was­ser-Öl-Gemisch för­der­te er mit einem klei­nen Eimer zu Tage und ent­sorg­te den Inhalt kur­zer­hand im Hafen­be­cken. Wir waren sprach­los über so wenig Umwelt­be­wusst­sein. Die sich ent­wi­ckeln­de Dis­kus­si­on über die­sen Vor­fall war letzt­lich aber auch Kri­tik an uns selbst. War­um gin­gen wir nicht nach Drau­ßen und spra­chen ihn auf sein Fehl­ver­hal­ten an? Jeder stell­te sich ins­ge­heim die­se Fra­ge, woll­te sie aber nicht beantworten.

Rache ist nicht meine Sache

In der Nacht wur­den wir von einem klei­nen Sturm heim­ge­sucht. Die Geräusch­ku­lis­se wäh­rend der Nacht ließ uns sehr unru­hig schla­fen und leg­te die Ver­mu­tung nahe, dass am Haus eini­ges befes­tigt wer­den muss­te. Der kräf­ti­ge Wind brach­te jede Men­ge Regen mit. Am nächs­ten Mor­gen hat­ten wir 20cm Was­ser in den Boo­ten. Patrick war nir­gend­wo zu ent­de­cken und der fei­ne Öltep­pich des Vor­abends hat­te sich zu unse­rer Erleich­te­rung aufgelöst.
Unse­re Auf­re­gung über den „net­ten“ Yacht­eig­ner war etwas ver­flo­gen. Wir woll­ten den Tag posi­tiv begin­nen, also schöpf­ten wir flei­ßig Was­ser, trock­ne­ten die Sitz­ge­le­gen­heit im Boot, füll­ten die Tanks aus dem Ben­zin­vor­rat und mach­ten uns auf nach Nor­den zur Mün­dung des River Inny, der in etwa 1,5 Mei­len Ent­fer­nung in den See mün­de­te. Das Was­ser war noch unru­hig, die Fahrt unge­müt­lich aber machbar.

Der Mün­dungs­be­reich des River Inny. Die Fahr­rin­ne mit aus­rei­chen­der Tie­fe ist gekenn­zeich­net. Links und rechts der Pol­ler ist es gera­de ein­mal 60 – 80 cm tief.

Vor der Inny Bay schlepp­ten wir das ers­te Mal einen neu­en Bereich vor einer grö­ße­ren Bucht ab und konn­ten zwei wun­der­schö­ne Brown Trouts (Forel­len) fan­gen, die unse­ren Hecht­kö­der ohne Zögern genom­men hat­ten. Auf der Wei­ter­fahrt war der Gewäs­ser­grund selbst in der Fahr­rin­ne stel­len­wei­se gut sicht­bar, so dass wir lang­sam fuh­ren, um im Mün­dungs­be­reich des Flus­ses nicht noch auf­zu­set­zen. Die Fließ­ge­schwin­dig­keit des Inny war schwach, was einer­seits auf wenig Gefäl­le schlie­ßen ließ, ande­rer­seits aber die Abla­ge­rung an Sedi­men­ten begüns­tig­te, wie unschwer an den vie­len Flach­stel­len zu erken­nen war. Wir fuh­ren fluss­auf­wärts. Die Schlepp­an­geln hat­ten wir auf klei­ne­re Forel­len­kö­der umge­stellt. Je mehr wir vor­an­ka­men, umso mehr ver­stärk­te sich das Gefühl, bald nicht mehr genug Was­ser unter dem Kiel zu haben. Objek­tiv bese­hen zeig­ten grö­ße­re Boo­te am Ufer aber dass genü­gend Was­ser­tie­fe vor­han­den sein muss­te. Trotz­dem dreh­ten wir eini­ge Zeit spä­ter um und ori­en­tier­ten uns wie­der fluss­ab­wärts. Im Inny selbst war kei­ne Forel­le zu fan­gen, ledig­lich ein Baby­hecht zeig­te Inter­es­se an unse­rem Köder­an­ge­bot. Auf dem Weg zurück stopp­ten wir an einer grö­ße­ren Bucht, die im hin­te­ren Bereich am Gewäs­ser­grund dicht ver­krau­tet war. Vor dem Kraut­feld ver­mu­te­ten wir Räu­ber­stand­or­te und war­fen die Angel aus.

Brownt­rout aus dem Lough Ree mit gro­ßem Appe­tit auf schwe­re Hechtköder

Das Fang­er­geb­nis war über­ra­schend gut. Inner­halb von zwei Stun­den hol­ten wir sechs Hech­te bis zu einem Stück­ge­wicht von 12 Pfund ins Boot, die alle­samt wie­der zurück­ge­setzt wurden.
In der Freu­de über unse­ren Fang­er­folg über­sa­hen wir, dass von Wes­ten eine Schau­er­front auf­zog. Inner­halb kur­zer Zeit frisch­te der Wind kräf­tig auf und schon saßen wir mit­ten in peit­schen­dem Regen bei üblem See­gang, der sich aus dem Nichts auf­ge­baut hat­te. Als der Spuk nach gut 20 Minu­ten vor­über war, beru­hig­te sich das Sze­na­rio wie­der und tropf­nas­se Gestal­ten in den Boo­ten schöpf­ten wie­der ein­mal Was­ser. Kein Wun­der, dass der Wunsch auf einen hei­ßen Kaf­fee an knis­tern­dem Kamin­feu­er uns wenig spä­ter auf den Heim­weg brachte.

Das Unwet­ter naht. Sturm­bö­en und Stark­re­gen waren nach die­ser Auf­nah­me nur weni­ge Minu­ten entfernt.

Als unser Haus in Sicht­wei­te kam, wun­der­ten wir uns, dass Patrick´s Yacht kurz vor der Hafen­ein­fahrt auf Ree­de lag, in einem Flach­was­ser­be­reich, den wir selbst mit unse­ren Boo­ten gemie­den hät­ten. Beim Näher­kom­men war unser „Freund“ an Deck aus­zu­ma­chen. Er wink­te ges­ti­ku­lie­rend in unse­re Rich­tung und rief etwas, das nicht zu ver­ste­hen war.
In der Höhe der Yacht wur­de klar, dass er abge­schleppt wor­den muss­te. Er hat­te bereits ein Tau in der Hand, mach­te aber kei­ne Anstal­ten, eine Erklä­rung abzu­ge­ben, was pas­siert war. Ich muss zuge­ben, dass ich den Augen­blick genoss. Hat­te er nicht ges­tern noch deut­lich gemacht, dass er mit uns nichts gemein hat­te? Und jetzt brauch­te aus­ge­rech­net er unse­re Hil­fe? Einen Moment lang war ich in Ver­su­chung, ihn sei­nem Schick­sal zu über­las­sen und in den Hafen zu fah­ren, so sehr wirk­te der Ärger vom Tag zuvor noch nach. Ich ent­schied mich anders, woll­te aber zunächst wis­sen, was pas­siert war. Mit säu­er­li­cher Mie­ne ver­riet er uns, dass er beim Ver­las­sen des Hafens irgend­et­was in die Schrau­be bekom­men haben muss­te, dass den Motor still­ge­legt hatte.
Die Schlepp­tour gestal­te­te sich nicht ganz so schwie­rig wie ich befürch­tet hat­te. Im ers­ten Moment schie­nen wir über­haupt nicht vom Fleck zu kom­men, obwohl unse­re sechs PS sich nach Kräf­ten bemüh­ten. Unser Boot beweg­te sich nur nach links oder rechts, als ob wir mit dem Schlepp­seil an einem ima­gi­nä­ren Kreis­mit­tel­punkt fest­ge­hef­tet wor­den wären. Schließ­lich ging es in Zeit­lu­pe vor­an und wir nah­men Kurs auf die enge Hafen­ein­fahrt. In Wirk­lich­keit dik­tier­te der Vier­ton­nen­klotz am Haken unser Tun, aber die gro­be Rich­tung war irgend­wie ein­zu­hal­ten. Wäh­rend Patrick sei­ne Yacht mit dem Boots­ha­ken von den Stein­pa­ckun­gen der Ein­fahrt fern­hielt, erreich­ten wir nach end­lo­sen Minu­ten das Hafen­be­cken und zogen Patrick mit sei­nem Boot per Hand in sei­nen Lie­ge­platz, nach­dem wir unser Boot ver­täut hatten.
Jetzt war er wie­der ganz der alte, unser Patrick. Kein Wort des Dan­kes. Er ging ein­fach unter Deck und blieb verschwunden.
Der Nach­mit­tags­kaf­fee mit selbst­ge­ba­cke­nem Apfel­ku­chen war ein Genuss, die nas­se Klei­dung hing vor allen ver­füg­ba­ren Heiz­kör­pern und im offe­nen Kamin knis­ter­ten die ers­ten Holz­schei­te. Wir dis­ku­tier­ten die Fän­ge des Tages und schupp­ten die bei­den Brownt­routs, die spä­ter zu einem schmack­haf­ten Abend­essen bei­tru­gen. Patrick wur­de nicht mehr the­ma­ti­siert, wir woll­ten ihn aus unse­ren Gedan­ken verbannen.

Kostenlos bringt uns Verdruss

Um kurz vor 10 Uhr am nächs­ten Tag war Unru­he am Hafen zu hören. Auf dem Weg zu den Boo­ten konn­ten wir gera­de noch sehen, wie ein Mann in neo­pren­schwarz am Heck von Patrick´s Yacht ins Hafen­be­cken glitt und untertauchte.
Eini­ge Zeit spä­ter war er wie­der da und Patrick wuch­te­te ein ca. 4m lan­ges, grü­nes Stell­netz mit meh­re­ren toten Hech­ten an Bord. Kein Wun­der, dass sol­che Las­ten in der Schrau­be zum Still­stand der Maschi­ne geführt hatten.
Wir ver­folg­ten das Gesche­hen in allen Ein­zel­hei­ten wäh­rend wir unse­re Boo­te belu­den, lie­ßen uns aber kein Inter­es­se an den Vor­gän­gen anmer­ken und lie­fen aus, ohne Patrick auch nur eines Bli­ckes zu wür­di­gen. Die­ser Mann war für uns gestorben.
Es ging nach Wes­ten in ein Gebiet, das wir bis­her noch nicht befischt hat­ten. Die ers­te Schlepp­se­quenz lag direkt in der aus­ge­schil­der­ten Fahr­rin­ne in Rich­tung Ath­lon bei Tie­fen bis zu 6 m. Beim drit­ten Durch­lauf lagen wir wahr­schein­lich direkt über der Kan­te zur Fahr­rin­ne bei einer geschätz­ten Tie­fe von 2–3 m und waren kurz hin­ter ein­an­der an allen Ruten im Boot erfolg­reich. Die Hech­te waren ech­te Kämp­fer­ty­pen zwi­schen 5 und 9 Pfund. Danach war es wie abge­schnit­ten und wir beeil­ten uns den nächs­ten erfolg­ver­spre­chen­den Gewäs­ser­ab­schnitt auf­zu­su­chen. Die Bucht, die wir anfuh­ren, war mit höchs­tens 2 m Was­ser­tie­fe in der Mit­te äußerst flach, im Rand­be­reich konn­te man die Stei­ne auf Grund zäh­len. Über­all schau­ten ver­ein­zelt Stein­bro­cken aus dem Was­ser und uns beschlich wie­der ein­mal das Gefühl gefähr­lich nahe am Auf­set­zen zu sein.
Trotz­dem schlepp­ten wir unweit des Ufers tief in die Bucht hin­ein und konn­ten ein paar klei­ne Hech­te erbeu­ten. Am Ende der west­li­chen Bucht­sei­te lag ein klei­nes Boot am Steg und hin­ter dem sich anschlie­ßen­den Busch­werk war ein Haus­gie­bel zu erken­nen. Auf dem Steg selbst gab es plötz­lich Leben. Zwei alte Bekann­te, der alte Mann und sein Hund schau­ten zu uns her­über, als wenn Sie uns erwar­tet hätten.

Einer der vie­len Hech­te an die­sem Tag mit Gewich­ten zwi­schen 2 und 9 Pfund. Dass selbst gro­ße Köder­fi­sche bei sol­chen Halb­star­ken kein Hin­der­nis sind, ist vorstellbar.

Wir näher­ten uns den bei­den und wur­den von Las­sie begrüßt. Vom Boot aus wech­sel­ten wir mit dem alten Herrn ein paar Wor­te. Er erzähl­te uns, dass die Ein­hei­mi­schen nur Forel­len, Aalen und viel­leicht auch noch den Bar­schen im See nach­stel­len. Auf Hech­te leg­ten sie kei­nen Wert, die wären für die Tou­ris­ten. Na gut, schön zu wis­sen. Wir manö­vrier­ten aus der Bucht her­aus in tie­fe­res Was­ser und fuh­ren zu der gegen­über­lie­gen­den Insel, auf der eini­ge Häu­ser­rui­nen aus­zu­ma­chen waren. Vie­le der klei­nen Inseln im Shan­non Gebiet beher­ber­gen alte Klos­ter­rui­nen, die zurück­rei­chen bis in die Zeit der frü­hen Chris­tia­ni­sie­rung um das Jahr 1000 n.Chr. In wel­che Epo­che unse­re Insel ein­zu­ord­nen war, war mir nicht bekannt, aber mit etwas Phan­ta­sie konn­te man sich leb­haft vor­stel­len, wie es damals aus­ge­se­hen haben muss­te, wo zwi­schen den Mau­ern noch Leben war. Wenn wir in die­sem Moment Nebel auf dem Was­ser gehabt hät­ten, der das Pan­ora­ma in Sche­men­haf­te gerückt hät­te, waren die Gestal­ten viel­leicht sogar sicht­bar geworden.

Klos­ter­rui­nen fin­det man in and am Lough Ree häu­fig. Meist sind sie auf Inseln zu fin­den, die nur mit dem Boot erreich­bar sind. Unter heu­ti­gen Maß­stä­ben in der kal­ten Jah­res­zeit sicher kein Ver­gnü­gen, den Lebens­un­ter­halt sicherzustellen.

Wir umrun­de­ten die Insel in lang­sa­mem Schlepptem­po, immer in der Unge­wiss­heit, wie­viel Was­ser wir augen­blick­lich unter dem Kiel hat­ten. Plötz­lich war da ein knir­schen­des Geräusch und das Boot wur­de ohne Vor­war­nung abrupt gestoppt. Ein Glück, dass wir nur Schlepp­ge­schwin­dig­keit hat­ten. Nach dem ers­ten Schreck erga­ben die Unter­su­chun­gen, dass wir in einem alten Sta­chel­draht­zaun fest hin­gen, der sich vom Ufer der Insel aus unter Was­ser fort­setz­te. Der Motor hat­te zum Glück nichts abbe­kom­men und mit etwas Mühe konn­ten wir das Hin­der­nis mit unse­rem Bord­werk­zeug aus dem Weg räumen.
Der Vor­fall hat­te uns Respekt ein­ge­flößt und wir hiel­ten danach deut­lich mehr Abstand zu dem Eiland. Der Gewäs­ser­ab­schnitt auf der Insel­rück­sei­te war rie­sig. Nach einer Fahr­zeit von fast 15 Minu­ten erreich­ten wir einen aus­ge­dehn­ten Schilf­gür­tel am gegen­über­lie­gen­den Ufer.
Unse­re Schlepp­ver­su­che in die­sem Bereich blie­ben erfolg­los, also ver­such­ten wir vom trei­ben­den Boot aus, dicht vor das Schilf zu blin­kern. Mit die­ser Metho­de erwisch­te ich mein zwei­tes Uboot, das mich eini­ge Minu­ten in einem auf­re­gen­den Drill beschäf­tig­te. Irgend­et­was war anders im Ver­hal­ten des Fisches und in der Art wie er an der Lei­ne zog, aber ich konn­te nicht sagen, was. Als der Fisch dann in Sicht­wei­te kam, war die Ent­täu­schung groß. Statt des erwar­te­ten Groß­hech­tes war es „nur“ eine gut 8 Pfund schwe­re Bras­se, die ich im Rücken gefasst hat­te. Der Fisch wur­de vom Haken befreit, die klei­ne Ver­let­zung war bei feh­len­dem Wider­ha­ken unpro­ble­ma­tisch. Das Tier ver­schwand, erschöpft von sei­nem Kampf an der Angel, etwas müh­sam wie­der in sein Reich.
Der Blick auf die Tank­an­zei­ge bewog uns den Heim­weg anzu­tre­ten. Wir waren bis in den spä­ten Nach­mit­tag ein gutes Stück vor­an­ge­kom­men und hat­ten daher jetzt eine ordent­li­che Stre­cke vor uns. Beim Ein­lau­fen in den Hafen bemerk­ten wir, dass ein Poli­zei­boot direkt neben unse­rem Steg fest gemacht hat­te. Es muss­te im Lau­fe des Tages ein­ge­trof­fen sein. Die uni­for­mier­te Zwei-Mann-Besat­zung bat uns über­ra­schend zum Gespräch. War­um blieb unklar. Im Ergeb­nis beschlag­nahm­ten Sie unser ein­zi­ges, nagel­neu­es Gaff, das wir, wegen der mög­li­chen Groß­hech­te, zwar an Bord aber noch nicht benutzt hat­ten. Eine Begrün­dung gab es auch auf Nach­fra­ge nicht. Mein Ein­wand, dass wir am nächs­ten Mor­gen abrei­sen wür­den und somit gar kei­ne Gele­gen­heit mehr bestan­den hät­te, es zu benut­zen, war eben­falls erfolglos.
Die Mei­nun­gen über die­sen Vor­fall waren an die­sem Abend geteilt. Sie reich­ten von „Staats­die­ben“ bis zu Staats­die­nern, die nur ihre Pflicht erfül­len. Die Fra­ge war nur, „Wel­che Pflicht?“. Jemand mein­te scherz­haft, das wäre die bequems­te Art, kos­ten­los an eine neu­es Gaff zu kommen.
Wir hak­ten den Ver­lust ab, genos­sen den letz­ten Abend vor dem Kamin und waren uns sicher im nächs­ten Jahr wie­der hier zu sein, nicht nur der gro­ßen Hecht­da­me wegen, die uns ent­wischt war.

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Gerd

Erster Angeleinsatz : Holland 1962 mit einer Fertigangel Bambus dreiteilig 3 m, Fangergebnis 36 Aale an einem Regentag im August. Danach Süßwasserangelei vorwiegend an der Mosel und den Mittelgebirgstalsperren (Sauerland) mit kurzer Visite in einem Angelverein (der mir mit seiner Vereinsmeierei schnell gezeigt hat, dass er für mich keine Heimat sein und schon gar keine Herausforderung bieten konnte). Nach der Schule im rheinischen Raum (Bonn und Umgebung) vorwiegend an großen nicht bewirtschafteten Kiesgruben auf Karpfen und Forellen, Flussangelei an der Mosel, Kyll(Saarland). Erste Erfahrungen mit der Salzwasserfischerei (Nordsee,Ostsee) ab den 70er Jahren. Regelmäßige Angelreisen ab 1982 nach Irland (Hecht, Browntrout), Kanada(Königslachs, Sockey). In den letzten 15 Jahren min 1x/Jahr Irland, Norwegen (nur Salzwasser), Süßwasser nur noch Talsperre, gelegentlich noch Flußangelei Lippe,Sieg (Raum Unna).

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