Wachstum und Alter von Fischen
„Boah, was ein Brocken!! Der muss ja mindestens 25 Jahre alt sein!“ So oder so ähnlich könnte es klingen wenn manch Angler einen dicken Barsch gefangen hat. Denn bei einem sind sie sich sicher: „Barsche werden sehr alt und wachsen nur sehr langsam!“
Ist das wirklich so? Sind große Fische immer auch am ältesten? Um das zu beantworten, müssen wir etwas tiefer in die Materie einsteigen.
Wachstum von Fischen
Grundsätzlich lässt sich schon mal eines sagen: Fische wachsen ihr Leben lang (wenn auch unterschiedlich schnell). Innerhalb eines Fischlebens erreichen sie meist rasch ihr Wachstumsmaximum und wachsen zum Ende ihres Lebens dann irgendwann deutlich langsamer.
Aber auch unter den verschiedenen Fischarten gibt es große Unterschiede: Das reicht im Meer von sehr schnell wachsenden Warmwasser-Arten wie dem „Mahi-Mahi“ (gemeine Goldmakrele), der durchaus mehr als 120 cm Länge und 40 Kg in den ersten 2 Lebensjahren schaffen kann, bis zu Arten wie dem „Orange Roughy“ (aka Kaiserbarsch), der sich auch durchaus mal 50 Jahre Zeit lässt um 40 cm Länge und 2 Kg Gewicht zu erreichen.
Altersbestimmungen an Fischen
In der Biologie werden Altersbestimmungen an Fischen in der Regel anhand von knöchernen oder knorpeligen Strukturen wie Gehörsteinen (sogenannten Otolithen) aber auch Schuppen, Knochen, Kiemendeckeln oder Flossenstrahlen durchgeführt.
Im folgendes Bild der dazugehörige Fisch, der leider entnommen werden musste.
Wenn sich im Lebensjahr eines Fisches Abschnitte mit langsamerem Wachstum (zum Beispiel Winter oder Laichzeit) mit jenen mit schnellerem Wachstum (zB. im Sommer) abwechseln, entstehen in diesen Organen (ähnlich wie bei einem Baum) sichtbar abgesetzte Ringe, an denen sich das Alter der Tiere ablesen lässt.
Im folgendes Bild das dazugehörige Fangfoto des Seesaiblings aus dem Vättern.
Altersdaten von vielen Einzelfischen können als Grundlage für Alters-Längen Beziehungen herangezogen werden. Anhand dieser kann man später über die Länge eines Fisches sein ungefähres Alter herleiten. Da aber das Wachstum von Fischen je nach Herkunft und selbst innerhalb einer Nachkommenschaft ziemlich variieren kann, sind die nach Alters-Längen-Schüssel erhobenen Schätzungen meist nicht sehr präzise und dienen eher als Richtwert.
Im obigen Bild das Alter im Verhältnis zur Länge von Barschen aus dem Kurischen Haff in Litauen ((a) aus Troynikov et al. 2011). Und in der folgenden Grafik von Barschen aus dem Edersee in Deutschland ((b) mit freundlicher Genehmigung durch die ig-Edersee).
Jeder Punkt bei (a) stellt einen Einzelfisch dar, die farbigen Balken bei (b) die Größenbereiche der einzelnen Jahrgänge. Die Streuungen innerhalb der Datensätze machen klar, wie sehr sich das Wachstum der Fische einer Art selbst innerhalb desselben Gewässers unterscheidet. Wenn man beide Gewässer miteinander vergleicht, wird ersichtlich, dass auch hier deutliche Unterschiede vorliegen. Während nach 5 Jahren die Barsche aus dem Edersee zwischen rund 33 und 45 cm lang sind, erreichen die Fische aus der Lagune gerade mal 18–32 cm.
Gründe für unterschiedlich schnelles Wachstum bei Fischen
Aber wie kommen diese Unterschiede zustande? Beim Wachstum von Fischen spielen eine Reihe unterschiedlicher Faktoren eine wichtige Rolle: (genetische) Veranlagung, Nahrung, Temperatur und Sauerstoff.
Die allermeisten Fische sind sogenannte „R Strategen“ und können in einem Reproduktionszyklus bis zu hunderttausende Nachkommen erzeugen. Anders als bei dem Gegenstück, den „K Strategen“ mit wenigen, aber weit entwickelten Nachkommen, erfordern diese dann nur wenig Pflege und sind schnell auf sich allein gestellt. Die hohe Zahl an Individuen innerhalb der Nachkommen hat viele Vorteile: Neben der Inkaufnahme von Verlusten, soll die Schar an Sprösslingen auf möglichst viele verschiedene Begebenheiten vorbereitet sein können. Wer mit seinen Anlagen am besten angepasst ist, gewinnt!
So kann es innerhalb einer Generation von nur einem Elternpaar sehr schnell und sehr langsam wachsende Nachfahren geben. Das regelt sich oft aber auch schnell wieder, da es für die Kleinen gerade in der ersten Zeit doch darum geht, möglichst schnell zu fressen und zu wachsen, um nicht selber als Beute zu enden.
Denn eins ist klar: „Je größer ich bin, desto besser kann ich mich durchsetzen und desto weniger Feinde werden mich fressen können. Aus diesem Grund ist es auch für junge Fische (selbst für vermeintliche Friedfische) nicht unüblich, selbst vor den eigenen Geschwistern nicht halt zu machen. Denn wer früh genug rausgefunden hat, wie gut das Geschwisterlein schmeckt, der wird deutlich schneller groß als der Rest vom Gelege. Dieses Phänomen ist auch den Fischzuchten wohlbekannt, weshalb es in der Regel notwendig ist, die Jungfische regelmäßig nach ihrer Größe zu sortieren.
Der starke Größenunterschied ist darauf zurückzuführen, dass die deutlich größere Forelle von Beginn an mehr Futter abbekam, schneller gewachsen ist und scheinbar früh gelernt hat, auch ihre Geschwisterchen als Nahrungsquelle zu nutzen.
Geschwindingkeit des Wachstums: Eine Frage der Herkunft
Andere Lebensräume gehen meist mit anderen Lebensbedingungen einher. In der Regel sind Fischpopulationen über viele Generationen an ihr Heimatgewässer angepasst. Das kann dazu führen, dass sich bestimmte, passende Merkmale durchsetzen: Niedrige Nahrungsverfügbarkeit könnte zur Folge haben, dass vor allem die kleinwüchsigen und frühreifen Fische sich durchsetzen oder im Gegenteil, aufgrund hoher Konkurrenz und vielen Fraßfeinden eher die schnell wachsenden Individuen über bleiben.
Je nach dem, wo auf der Weltkarte wir uns befinden oder wie das jeweilige Gewässer strukturiert ist, unterscheiden sich in Folge Klima, Jahreszeiten aber auch andere Faktoren wie etwa Nahrungsverfügbarkeit und Habitat-Qualität. So kommt es zustande, dass zum Beispiel die prominenten Boddenhechte aufgrund des salzigeren Wassers, der fetten Heringe und anderer Leckereien auf der Speisekarte, durchaus den Meter in den ersten 5–6 Jahren erreichen können, während Hechte in sehr kalten Alpenseen vielleicht die selbe Länge erst nach mehr als 10 Jahren erreichen.
Erhöhten Stoffwechsel und Turbo-Wachstum gibt es allerdings meist nicht ohne Eingeständnis: Wer schnell lebt, tut dies in Folge meist nicht sonderlich lange. Turbowachstum und schneller Stoffwechsel bekommt man dann nur auf Kosten der Lebenserwartung.
Temperatur spielt generell eine wichtige Rolle beim Wachstum von Fischen. Als wechselwarme Tiere werden deren Stoffwechsel und Aktivität stark durch die vorherrschende Wassertemperatur beeinflusst. So wachsen Warmwasser-Arten in der Regel schneller als Fischarten, die in einer kalten Umgebung und/oder großen Tiefen aufwachsen. Hier kommen aber auch schon weitere Karten ins Spiel: warmes Wasser kann weniger Sauerstoff speichern, welchen die Fische für gutes Wachstum aber unbedingt benötigen. Dementsprechend kann Sauerstoffgehalt (Verfügbarkeit und/oder Aufnahmevermögen) das Wachstum eines Fisches ebenso begrenzen wie die Temperatur des Wassers.
Wie wir sehen lässt sich also das Alter nicht allein an der Größe der Fische festmachen und ein 45er Barsch kann 5 aber auch gut 10 Jahre alt sein. Die Unterschiede stecken im Detail und nicht immer ist ein kleiner Fisch jung und ein großer uralt. Am Ende gilt es zu berücksichtigen, dass wir Menschen schon seit Jahrhunderten durch unseren Einfluss und teils durch selektive Entnahme (die Großen wurden entnommen) die natürliche Alterstruktur von Fischpopulationen verändern. Zur Folge kann dies dann auch ungewollte Effekte wie forciertes langsameres Wachstum (Fische die kleiner bleiben, setzen sich durch) oder mittel- und langfristig eine Verjüngung der Geschlechtsreife haben. So zeigen historische Daten dass zum Beispiel bei Dorschen in der Ostsee der Eintritt in die Geschlechtsreife vor vielen Jahren bei gut doppelter Länge der heutigen Laichreife lag.
Wirklich sehr interessanter Lesestoff! Aufschlussreiche Studien, viel Input. Weiter so !
Ich muss mich meinem Vorgänger anschließen. Der Artikel ist wirklich sehr aufschlussreich und ich habe noch einiges dazugelernt. Man lernt halt nie aus! Macht weiter so!
Echt super geschrieben und sehr aufschlussreich.
Daumen hoch und vielen Dank